Januar
«Frohes neues Jahr!»
«Frohes neues Jahr!»
«Ich mache mir eigentlich keine Neujahrsvorsätze. Dieses Mal schon.»
«Ach ja?»
«Ja. Ich habe mir vorgenommen, mich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Auf die wichtigen Dinge. Auf die wichtigen Menschen.»
«Wichtige Menschen?»
«Ja. Gute Freunde.»
«Bin ich… Öhm… Gehöre da…»
«Ja. Ja. Natürlich.»
«Da bin ich froh.»
«Ich auch.»
Februar
«Ach, ich mag diese Abende. Einfach in der Kneipe sitzen und stundenlang reden.»
«Über Gott und die Welt.»
«Vor allem über die Welt.»
«Ja.»
«Gott ist nicht da. Selbst wenn es ihn gäbe, würde er wohl kaum in diese Kneipe kommen. Auch wenn sie Engel heißt.»
«Egal. Wir sind ja hier.»
«Ich bin ein wenig betrunken.»
«Ich auch. Aber das macht nichts.»
«Das macht es vielleicht sogar besser.»
«Vielleicht.»
März
«Ich muss dir etwas erzählen.»
«Du musst?»
«Nein. Ich möchte. Ich will. Weil ich dir vertrauen kann.»
«Vertrauen ist schön. Vertrauen ist gut.»
«Ja.»
«Na los, erzähl.»
April
«Gehen wir am Wochenende in die Stadt?»
«Klar.»
«Wohin?»
«Wir könnten zuerst in den Engel, was trinken, und danach vielleicht noch in den Tiger.»
«Letztes Mal war’s langweilig im Tiger.»
«Vielleicht wird’s dieses Mal besser.»
«Vielleicht.»
Mai
«Du, wegen der Sache, die ich dir vor einigen Wochen erzählt habe… Weißt du noch?»
«Ja, klar. Was ist damit?»
«Naja. Es ist jetzt nicht unbedingt einfacher oder besser geworden.»
«Oh. Tut mir leid. Möchtest du… Möchtest du darüber reden?»
«Ich weiß nicht. Vielleicht, ja.»
«Ich höre zu.»
«Also…»
Juni
«Hättest du mal Lust auf einen Städtetrip?»
«Städtetrip? Wohin denn?»
«Irgendwohin halt. Berlin vielleicht. Oder Paris. Wien. Rom.»
«Ich weiß nicht. Einfach so?»
«Ja, warum nicht?»
«Mal sehen.»
Juli
«Ein alter Schulfreund ist gestorben.»
«Das tut mir leid.»
«Mir auch. War einer der Guten.»
«Was ist denn passiert?»
«Autounfall. War wohl betrunken.»
«Ach so. Na dann.»
«Was heißt das? Na dann?»
«Naja, bei Leuten, die betrunken Auto fahren, hält sich mein Mitleid in Grenzen.»
«Es geht doch nicht um Mitleid! Er ist tot.»
«Ich meine ja nur.»
«Ach ja?»
«Ja.»
August
«Wie konntest du nur?»
«Wie konnte ich was?»
«Es erzählen. Einfach so. Obwohl ich dich gebeten habe, es für dich zu behalten.»
«Hast du… Naja… Ich dachte halt…»
«Was?»
«Ich dachte wohl…»
«Was? Was dachtest du? Dachtest du dir überhaupt etwas dabei?»
«Lass mich doch mal ausreden!»
«Also.»
«Ich dachte wohl, dass es nicht mehr so wichtig ist.»
«Nicht mehr so wichtig?»
«Ja.»
«Warum dachtest du das denn?»
«Naja, es ist schon eine Weile her. Und du hast nie mehr darüber geredet.»
«Ach, und da dachtest du dir, dass du es jetzt überall herumerzählen könntest.»
«Ich habe es nicht überall herumerzählt.»
«Aber du hast es Max erzählt!»
«Ja… Es ergab sich irgendwie… Keine Ahnung.»
«Aber… Und warum ausgerechnet Max?»
«Ich weiß nicht. Ich glaube, ich kann ihm vertrauen.»
«Vertrauen?»
«Ja.»
«Vertrauen ist schön. Vertrauen ist gut.»
«Ja.»
September
«Wollen wir mal noch darüber reden.»
«Worüber reden?»
«Naja, über jene Sache halt.»
«Jene Sache?»
«Ja.»
«Ich weiß nicht, was es darüber zu reden gäbe.»
«Vielleicht wäre es gut.»
«Ich verstehe nicht, was es bringen soll. Was passiert ist, ist passiert.»
«Einfach so?»
«Nein. Aber es hat doch keinen Zweck, ewig darüber zu reden.»
«Ewig? Wir haben gar nicht darüber geredet.»
«Trotzdem.»
Oktober
«Ich habe lang nichts mehr von dir gehört.»
«Stimmt. Ist gerade ziemlich viel los.»
«Wie läuft‘s?»
«Eben, hektisch. Aber ganz gut soweit. Bei dir?»
«Alles okay. Wie immer.»
«Nichts Neues?»
«Nö. Alles beim Alten.»
«Na dann.»
«Wir könnten ja wieder mal was trinken gehen.»
«Klar, können wir machen. Irgendwann ergibt sich sicher was.»
November
«Hallo. Eigentlich rede ich nicht gerne auf Anrufbeantworter. Wollte nur fragen, wie’s so geht. Vielleicht sieht man sich ja mal wieder. Bis dann.»
Dezember
«Hallo.»
«Oh. Hallo.»
«Lange nicht gesehen.»
«Ja.»
«Wie geht’s dir?»
«Gut. Und dir.»
«Auch gut.»
«Schön.»
«Ja.»
«Na dann.»
«Ja, na dann.»
«Mach’s gut.»
«Du auch.»
«Ein frohes neues Jahr dann.»
«Was?»
«Ein frohes neues Jahr dann.»
«Ach so. Ja. Danke. Dir auch.»
«Danke.»

Vertrauen ? Vertrauen ist gut , ja , Vertrauen ist schön …..😁
Inspirierendes Schweigen und fruchtbare Kommunikation gefällt mir auch – wobei “ Schweigen manchmal auch n‘ Schass is “ 😉 .
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Vertrauen, Misstrauen, Reden, Schweigen – es ist wohl häufig der richtige Moment, der entscheidet, ob’s schön oder scheisse ist…
Vielen lieben Dank dir fürs Lesen und für deine Worte!
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Hat dies auf Die Gedanken sind frei rebloggt.
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Danke!
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Autobiographisch?
In jedem Fall alles Gute und Schöne für das nächste Jahr.
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Nicht direkt, aber Vergleichbares ist wahrscheinlich ziemlich verbreitet… Dir auch alles Wunderbare fürs nächste Jahr, und herzlichen Dank dir fürs Lesen.
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Ja, das stimmt, und schnell gilt als „Muffel“, wer solchen Gesprächen seinen Beitrag verweigert … oder eben als das Gegenstück, ganz nach Belieben …
also wünsche ich uns allen fruchtbare Kommunikation und inspirierendes Schweigen – je nachdem. 🙂
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Fruchtbare Kommunikation und inspirierendes Schweigen, ja, das wäre, richtig ein- und umgesetzt, eine schöne Mischung.
Herzlichen Dank dir für deine Worte und beste Grüsse…
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Furchtbarer Dezember. Es tut fast körperlich weh, das zu lesen. Aber zumindest scheinen die beiden einig in ihrer Entfremdung.
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Ja, es wird bisweilen ganz schön kalt im Dezember… Vielen Dank dir fürs Lesen und für deine Worte!
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