Eine Zeit lang bleibt alles still. Dann beginnt es wieder. Das dumpfe Hämmern ist gleichmäßig und eintönig, ein starrer Rhythmus. Sie betrachtet einen kleinen Fleck an der Decke. Er war schon immer da, der Fleck, so scheint es zumindest; sie kann sich nicht erinnern, dass da kein Fleck gewesen wäre. Der Fleck ist essenziell, und wäre er nicht da, würde etwas fehlen. Erneut hört das Hämmern kurz auf. Sie atmet ein, atmet aus, es klingt unerwartet laut in der plötzlichen Stille. Schließlich setzt das Hämmern wieder ein.
Sie stellt sich vor, wie er in der Küche steht, mit dem Fleischhammer in der Hand. Wie er ihn auf die Schnitzel prallen lässt, immer wieder. Das Fleisch gibt ein wenig nach, zieht sich wieder zusammen. Sein Gesicht ist nahezu starr, jeder Muskel scheint angespannt, der Ausdruck changiert zwischen Konzentration und Manie. Sie kennt diese Variation seines Gesichtes nur zu gut. Noch immer kann sie kaum begreifen, wie jegliche Wärme aus seinen Augen zu entweichen vermag, wie sein ganzes Wesen offensichtlich von einer bitterkalten Welle überschwemmt wird. Sie bemerkt, wie sich die Haare auf ihren Unterarmen aufrichten, obwohl sie gar nicht friert.
Er müsste das Fleisch gar nicht flachklopfen. Wie immer kauft er sein Fleisch beim Metzger am Stadtrand. Es ist teuer, das Fleisch bei diesem Metzger, aber ausnahmslos hochwertig. Es ist niemals zäh, und wenn es gewünscht wird, dann schneidet der Metzger das Fleisch hauchdünn. Dass er nun trotzdem mit dem Fleischhammer auf die Schnitzel einprügelt, liegt ziemlich sicher nicht am Fleisch. Es ist ihm ein Bedürfnis, das Fleisch lautstark zu bearbeiten.
Später wird er die Schnitzel panieren und braten, wird ihr eines auf den Teller legen, und sie wird einige Bissen davon essen und ihr Besteck dann zur Seite legen. Sie wird ihn fragen, ob er den Rest ihres Schnitzels auch noch haben wolle, und er wird sie vorwurfsvoll ansehen, wird mit den Augen rollen und nicken. Dann wird er sich das Schnitzel greifen und es verspeisen, grimmig und beinahe gewaltsam. Sie wird zur Seite blicken, auf einen dunklen Fleck auf dem Tisch. Der Fleck, er war schon immer da; sie kann sich nicht erinnern, dass da kein Fleck gewesen wäre.
Sie schließt die Augen und wartet, bis das Hämmern aus der Küche verstummt. Einige Sekunden später hört sie das leise Zischen, als er das erste Schnitzel in die Pfanne legt. Er schaltet die Dunstabzugshaube ein, das leise Dröhnen des Lüfters vermischt sich mit dem Zischen des Fleisches. Hin und wieder dringt ein Klappern durch den Geräuschteppich. Langsam schiebt sie die Lider auseinander und blickt wieder auf den Fleck an der Decke. Sie fragt sich, was wäre, wenn er plötzlich nicht mehr da wäre. Allmählich richtet sie sich auf, stützt sich auf die Ellenbogen und blickt zur Tür. Nachdem er die Dunstabzugshaube ausgeschaltet hat, wird die Welt wieder einen Moment lang still. Sie steht auf, lässt ihre Handflächen einige Male über ihr Gesicht gleiten. Sie atmet ein, atmet aus. Dann öffnet sie die Tür und verlässt den Raum.

Schnitzel und Fleck als Synonym für eine kaputte Beziehung. Gut, dass bei mir niemand Schnitzel klopft!
Liebe Grüße zu dir!
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Vielen lieben Dank dir fürs Lesen, liebe Clara, und herzliche Grüsse zurück!
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