(Ein E-Mail-Dialog zwischen Hanna und Simo. Der E-Mail-Dialog findet statt, als er und sie eine Zeit lang räumlich getrennt sind. Simo ist in Finnland, um sich vom Ferienhaus der Eltern zu verabschieden. Seine Freundin Hanna bleibt in der Schweiz. Er ist sieben Tage dort. In diesen sieben Tagen schreiben sie sich E-Mails.)
Simo schrieb am Dienstag, 4. Juni:
Ich soll dankbar sein? Natürlich bin ich dankbar! Ich weiß um meine Privilegien! Ich weiß, dass es Luxusprobleme sind, wenn ich wehmütig hier in Toikkala hocke und darauf warte, dass dieser Teil meines Lebens zu Ende geht. Trotzdem macht es mich traurig. Doch wenn ich lese, was du schreibst, habe ich den Eindruck, dass es das nicht sollte.
Ich wollte dich nicht mit meiner offensichtlichen Undankbarkeit behelligen. Tut mir leid. Wird nicht mehr vorkommen. Ich wünsche dir einen schönen Tag.
Hanna schrieb am Dienstag, 4. Juni:
Ach Simo, sei doch nicht sofort beleidigt. Ich wollte dich nicht bevormunden oder dir eine allgemeine Undankbarkeit unterstellen. Falls du es so verstanden hast, tut es mir leid. Es war nicht meine Absicht.
Trotzdem bin ich der Meinung, dass es nicht immer gesund sein kann, sich zu sehr an die Dinge der Vergangenheit zu klammern. Deine Erinnerungen kann dir niemand nehmen, und ja, in Bezug auf das Ferienhaus sind sie alles, was noch bleibt, doch das ist mit allen Dingen so, früher oder später. Jedes Erlebnis wird zur Erinnerung, wenn es zu Ende geht, jeder Sommer wird zur Erinnerung, sobald der Herbst beginnt. Jede Beziehung hinterlässt irgendwann nur noch Erinnerungen, im besten Fall schöne. Irgendwann werde auch ich für dich nur noch eine Erinnerung sein. Und ich hoffe sehr, dass von mir dann mehr übrig bleibt als nur eingefrorene Zeit.
Eigentlich wollte ich dir nur schreiben, dass ich es schön fände, wenn du die Momente in Finnland genießen könntest, so gut und intensiv, wie es die Situation eben zulässt. Es sind deine letzten Tage im Ferienhaus, und wenn du sie damit zubringst, die Vergänglichkeit zu verfluchen und dich in Wehmut und Traurigkeit zu verlieren, dann sind diese letzten Tage eine reine Zeitverschwendung, finde ich.
Darum, eben, wünsche ich dir eine möglichst erfüllende Zeit in Toikkala. Und ich hoffe, dass du das nicht auch wieder in den falschen Hals bekommst.
Einen schönen Abend dir…
(Der gesamte Dialog wurde im Rahmen der Finissage der Ausstellung Nordsicht #2 im Kunstraum Nextex in St.Gallen als Textinszenierung aufgeführt.)