(Ein E-Mail-Dialog zwischen Hanna und Simo. Der E-Mail-Dialog findet statt, als er und sie eine Zeit lang räumlich getrennt sind. Simo ist in Finnland, um sich vom Ferienhaus der Eltern zu verabschieden. Seine Freundin Hanna bleibt in der Schweiz. Er ist sieben Tage dort. In diesen sieben Tagen schreiben sie sich E-Mails.)
Simo schrieb am Mittwoch, 5. Juni:
Ach, Hanna, du hast ja Recht. Ich verbringe zu viel Zeit im Gestern. Und wahrscheinlich verbringe ich auch zu viel Zeit im Morgen. Nur im Heute bin ich selten. Das verunsichert. Mir fällt auf, wie ungelenk ich bisweilen bin. Vielleicht liegt es daran, dass mein Körper im Jetzt ist, mein Geist und meine Gedanken sich aber in einer vollkommen anderen Zeit befinden. Da muss ein Körper ja außer Kontrolle geraten.
Vielleicht sollte sich etwas ändern. Ja, ich sollte mich ändern, sollte mir unliebsame Angewohnheiten abgewöhnen und neue, positive Eigenschaften aneignen. Aber vielleicht sollten sich auch Dinge um mich herum ändern, ich weiß es nicht. Als ich vorhin am See saß und dem Kreischen der Möwen lauschte, dachte ich daran, dass mir nicht nur der Ort hier entgleitet. Ich verliere den Halt, zumindest ein bisschen, aber es ist nicht einfach nur schlecht. Vielleicht tut es gut, das Loslassen zu üben.
Ich schreibe wirres Zeug. Tut mir leid. Ich wünsche dir eine gute Nacht, meine Liebe.
Hanna schrieb am Mittwoch, 5. Juni:
Lieber Simo
Zunächst hat es mich ziemlich beunruhigt, was du geschrieben hast, deine unterschwellige Sehnsucht nach Veränderung hat mich verunsichert. Doch dann merkte ich, dass sie mir nicht fremd ist, diese Sehnsucht, auch wenn sie sich in anderer Form zeigt. Ich frage mich manchmal, ob ich eigentlich auf dem richtigen Weg bin. Ob ich dort bin, wo ich hingehöre. Und ob ich dort, wo ich hinschaue, auch tatsächlich hin will. Das sind schwierige Fragen, große Fragen. Aber vielleicht ist es Zeit, sie mal zu stellen. Auch wenn ich gerade keine Antwort weiß.
Gehst du heute wieder in die Sauna? Falls ja, wünsche ich dir frohes Schwitzen und eine schöne Abkühlung im See. Ich beneide dich darum, weißt du?
(Der gesamte Dialog wurde im Rahmen der Finissage der Ausstellung Nordsicht #2 im Kunstraum Nextex in St.Gallen als Textinszenierung aufgeführt.)
*lächel*, alles im Fluß, aber wo er hinfließt, ist noch nicht geklärt
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Vielen lieben Dank dir fürs Lesen und Mitfliessen, liebe Bruni…
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