Vic Chesnutt sang davon, wie er ein Leben lang mit ihm geflirtet habe, und dann, später, gab er sich ihm hin; Mark Linkous zwang den Knochenmann mit dem Gewehr herbei, Elliott Smith nahm ein Messer und Sylvia Plath steckte den Kopf in den Ofen, um ihn zu suchen, und bisweilen fragt sich Konstantin, weshalb Vic und Mark und Elliott und Sylvia den Knochenmann fanden, er selbst dies aber nicht vollbrachte, und er überlegt, ob in diesem Fall von Scheitern die Rede sein kann; ob er am ultimativen Scheitern gescheitert ist und ihn deshalb nicht gefunden hat, noch nicht; Konstantin überlegt, ob er endgültig aufgehört hat, ihn zu suchen, ob er sich tatsächlich nie mehr nach ihm sehnen wird, nach ihm, der so oft als Retter in der Not erschien; und die Ungewissheit ist wohl einer der Preise, die man zahlen muss, gerne zahlt, um ihn auf Distanz zu wissen, obschon die Distanz ja niemals klar definiert sein kann; Konstantin weiß, dass er ihm dereinst begegnen wird, irgendwann, unausweichlich, er weiß, dass er irgendwo warten wird, hinter einer Wegbiegung, hinter einen Baum oder einem großen Felsen, und eigentlich ist es beruhigend, dass die eigene Zeit zum Stillstand kommen wird und das Leben nicht in die Ewigkeit reichen kann, denn es kann ja nicht immer so weitergehen, doch die Tatsache, dass er früher frühzeitig und freiwillig entfliehen wollte, lässt Konstantin immer wieder innehalten, er blickt sich um in den zurückliegenden Jahren und fragt sich, ob er damals, als er ungehemmt mit dem Knochenmann geflirtet hat, zu wenig intensiv um seine Gunst gebuhlt hat, ob er einfach nicht bereit war, sich auf die kalte Umarmung des Knochenmanns einzulassen, und obschon er froh und dankbar ist, dass er ihm entkommen konnte und seinem Werben und Locken nicht nachgegeben hat, fragt sich Konstantin, ob er dereinst möglicherweise wieder von schwarzen Hunden in die dunklen Höhlen gejagt werden könnte und dann mitgehen würde mit dem Knochenmann, tiefer hinein in die Finsternis, und natürlich weiß es Konstantin nicht, er kann es nicht wissen, aus heutiger Sicht, aber er hofft, dass es erneut gelingen wird, am Scheitern zu scheitern.

>>> Vic Chesnutt flirtet mit dem Knochenmann
>>> Mark Linkous und das wundervolle Leben
>>> Elliott Smith trinkt aus
Nach dem Tod meines liebsten Menschens war ich über Wochen in einer Selbsthilfegruppe. Drei andere Frauen betrauerten den Tod eines Menschen, der sich durch Suizid vom Leben verabschiedet hat.
Ich denke über dieses Thema schon Zeit meines Lebens nach, auch über eine Art, wie ich es machen würde.
Viele wollen die richtig harten Methoden wie einen Sprung aus der 20. Etage nicht machen, ich weiß nicht, warum. Ich habe 15 Jahre in so einer Gegend mit 6 Hochhäusern gewohnt. Da kam Suizid ziemlich oft vor – aber nicht unbedingt von den dort wohnenden Leuten, sondern es kamen viele extra zu uns, um aus unseren Treppenhausbalkonen zu springen.
Ich weiß nicht, was Sterbewillige davon abhält, einen wirklich 100%igen Weg zu wählen – ist der sanfte Weg doch mehr wie ein Hilfeschrei?
Es sind ja nicht nur Depressive, die sich das Leben nehmen (wollen) – viele sind in einer aussichtslosen Lage oder todkrank und WOLLEN so nicht bis zum Ende ihrer Tage leben.
Ich finde, ein Suizid hat durchaus seine Berechtigung – und wenn ich diesen Weg gehen sollte, möchte ich um nichts in der Welt wieder gerettet werden.
Aber gut, dass ich nicht in die Zukunft schauen kann.
Liebe Grüße
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Vielen lieben Dank dir für die wunderbaren, persönlichen und differenzierten Worte…
Ich denke, wie bei so vielem gibt’s auch bei Suizid keine Verallgemeinerung. Wahrscheinlich gibt es solche, die nur leichte suizidale Gefühle haben und dennoch den Tod finden, während andere, die kaum eine Minute ohne den Gedanken an den Tod verbringen, den letzten Schritt doch nicht machen, und dann gibt’s die Unzähligen dazwischen und daneben.
Suizid ist ein schwieriges Thema, aber ich fände es falsch, sich davor zu verschliessen und nicht darüber zu reden…
Vielen Dank nochmals für deine Worte, und herzliche Grüsse zurück…
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Weißt du, welches Wort mir in diesem Zusammenhang nie über die Lippen kommt? Und zwar Selbstmord. Das lateinische Wort Suizid hört sich etwas distanzierter an, aber ich bin eben der Meinung, sich selbst zu töten, kann nie im Leben mit Mord gleichgesetzt werden. Es ist letztendlich immer ein aufgeben, ein Akt der Verzweiflung, ein Wunsch nach etwas besserem, das danach kommen soll.
Ich glaube, mit kaum einem anderen Thema habe ich mich bisher soviel befasst.
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Mir missfällt der Ausdruck Selbstmord auch, Suizid ist passender, finde ich, obwohl ich wohl beide benutze. Ein Wort, das sich in diesem Zusammenhang häufig in die Gedanken schleicht, ist lebensmüde.
Und ja, ein Aufgeben ist es wohl immer. Hingegen ist der Wunsch nach etwas Besserem, das danach kommen soll, zumindest mir fremd.
Vielen lieben Dank für deine persönlichen Worte… Ich wünsch dir alles Liebe…
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Und wenn dieses Bessere nur darin besteht, keine Schmerzen oder keine Lasten mehr zu haben, frei zu sein – es muss ja nicht der Himmel oder die Hölle im christlichen Sinne gemeint sein.
Jetzt aber Schluss mit der Morbiditätsdiskussion.
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Dann nochmals lieben Dank für die feine Morbiditätsdiskussion, und einen schönen Abend noch…
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Ich möchte nicht wissen, wie viele (depressive) Menschen tagtäglich daran scheitern, sich das Leben zu nehmen…
wohl gelingt nur wenigen der Selbstmord tatsächlich, so wie Vic, Mark, Elliott, Sylvia und vielen vielen Hunderttausenden mehr…
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Es sind wohl sehr sehr viele, denen es (zum Glück) nicht gelingt, ihre Suizidgedanken in die Tat umzusetzen. Und es gibt dennoch sehr sehr viele, die der Mut zum Weiterleben endgültig verlässt.
Vielen lieben Dank dir für Lesen und für deine Worte, lieber Finbar…
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