Nachdem sie geduscht hat, steht sie vor dem Spiegel im Badezimmer und lässt ihre Finger durch ihre Haare gleiten. Sie möchte ihre Frisur verändern, möchte etwas Neues ausprobieren, mutig sein, experimentieren. Später, als die Haare endlich trocken sind, versucht sie, die Idee in die Tat umzusetzen; sie steckt Strähnen hoch, modelliert die Haare zu kreativen Formen, lässt sich nicht von widerspenstigen Locken bremsen. Doch am Ende blickt sie in den Spiegel und ist noch unzufriedener als zuvor; es sieht so aus, als wäre ein krankes Tier auf ihrem Kopf verendet. Sie versucht, zu retten, was sich retten lässt, aber es hat keinen Zweck. Schließlich stellt sie sich erneut unter die Dusche und wäscht sich noch einmal die Haare.
Wenn es ganz still ist in ihrer Welt, hört sie in ihrem Kopf ein altes Lied von Tocotronic. Die Idee ist gut, doch die Welt noch nicht bereit. Sie ist dann häufig ein wenig erschüttert darüber, wie gut der Titel zu ihr passt. Es sind nicht nur die Haare. Es sind auch tausend andere Dinge, kleine, große. Wenn sie tanzt, bewegt sie sich in einem anderen Rhythmus als die anderen Tanzenden; darum tanzt sie immer seltener. Sie macht bisweilen lange Spaziergänge und legt sich irgendwo auf eine Wiese, um den Duft des Grases einzuatmen, bis ein Spaziergänger oder ein Bauer vorbeikommt und sie mit einem merkwürdigen Klang in der Stimme fragt, ob alles in Ordnung sei; sie steht dann hastig auf, nickt kurz, murmelt etwas und geht rasch weiter. Sie stellt sich hin und wieder im Park zu einigen Büschen und tut so, als wäre sie einer von ihnen. Sie füttert die Tauben und redet mit ihnen, erzählt ihnen lange Geschichten. Sie trägt eine Fischerjacke, weil sie die vielen Taschen mag und deswegen nicht einmal eine Handtasche braucht. Sie balanciert auf Randsteinen und fühlt sich wie eine Seiltänzerin. Sie lächelt fremde Menschen an. Und immer wieder singt Dirk von Lowtzow von Tocotronic in ihrem Kopf. Die Idee ist gut, doch die Welt noch nicht bereit.
Manchmal, wenn sie ihre Gedanken nicht im Zaum zu halten vermag, fragt sie sich, ob sie selbst diese gute Idee ist, für welche die Welt noch nicht bereit ist. Sie fragt sich, ob die Schuhe schuld sind, wenn sie nicht auf ihre Füße passen, oder ob es nicht eher an ihren Füssen liegt, dass ihr kaum ein Schuh bequem genug ist. Sie fragt sich, ob die Welt aus sechseckigen Öffnungen besteht, ihr Körper aber eine achteckige Form aufweist. Sie fragt sich, warum sie sich allein häufig wohler fühlt als in Gesellschaft. Sie fragt sich, ob sie am Ende der Welt alleine auf die Apokalypse schauen würde. Sie fragt sich, ob sie noch einmal eine neue Frisur ausprobieren oder besser zum Friseur gehen soll. Sie fragt sich, ob sich irgendwann ein zweiter Mensch neben sie zu den Büschen stellt. Sie fragt sich. Aber sie kennt keine Antworten. Da ist nur das Lied von Tocotronic. Die Idee ist gut, doch die Welt noch nicht bereit. >>

Die Idee war gut und DU warst bereit für ihn, für diesen Text und ich stelle mich neben sie zu den Büschen und wir träumen Geschichten, in denen Büsche zwischen Menschen wandeln
Liebe Grüße von Bruni
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Oh, sie wird sich freuen, dich neben ihr zu wissen, dort bei den Büschen! Vielen lieben Dank dir fürs Lesen, fürs Zu-den-Büschen-Stehen und für deine Worte…
Herzliche Grüsse zurück!
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Liebe gutenachtgrüsse an dich von mir, lieber ralf
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Interessante Geschichte
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Herzlichen Dank!
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