Manchmal ist sie zwei Personen, zwei Frauen, zumindest scheint es ihr so, und zumeist fällt ihr der trennende Schnitt zwischen Schein und Sein schwer. Sie betrachtet alte Fotos und sieht sich an Orten, an denen sie nie gewesen ist. Sie begegnet Menschen, die sie wie gute Bekannte grüßen, und kann sie nicht zuordnen. Sie zieht Kleider aus dem Schrank, die sie nie gekauft hat. Sie hat Wunden, an deren Entstehung sie sich nicht erinnert. Hin und wieder springt sie hoch und spürt nicht, wie sie landet.
Sie mutmaßte einst, sie sei schizophren, doch einer ihrer Psychotherapeuten versicherte ihr, dass er keinerlei Anzeichen einer Schizophrenie erkennen könne, und sie glaubte es ihm, obwohl sie seinen Worten ansonsten nicht wirklich vertraute.
Bisweilen sagen die Leute zu ihr, sie seien besorgt, weil sie häufig so traurig wirke. Dann ist sie verwirrt, weil sie findet, dass sie häufiger lacht als üblich.
Bisweilen sagen die Leute zu ihr, sie seien erfreut, dass es ihr offensichtlich gut gehe. Dann ist sie verwirrt, weil sie findet, dass sie nichts anderes als einen betrübten Eindruck hinterlasse.
Das Entweder-Oder ist anstrengend genug. Noch mehr hadert sie mit dem Und, mit den Momenten, in denen sie zwei Personen zugleich zu sein glaubt. Häufig bekommt sie dann kaum Luft, bekundet Mühe, das Gleichgewicht zu halten, es rauscht im Ohr und flimmert vor den Augen.
Bisweilen rennt sie und schaut zurück, um festzustellen, ob sie sich entfernt.
Bisweilen rennt sie und schaut nach vorn, um festzustellen, ob sie näher kommt.
Wenn sie in die abgelaufene Zeit blickt, sieht sie die schwarzen Flecken. Manchmal sind die Kanten weich und diffus. Manchmal sind die Kanten grob und scharf. Und jedes Mal weiß sie nicht, ob da nun etwas zu viel ist. Oder ob etwas fehlt.

DAS ist richtig, richtig gut! Danke!!!
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DAS freut mich sehr! Danke!
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