Sie hat die Taschen voll mit Träumen, und wenn sie die Augen schließt, wachsen stetig neue Möglichkeiten in ihre Welt. Sie mag die Ruhe nach dem Gewitter, sie beobachtet die Regenwürmer, wie sie über den Asphalt kriechen, sich winden, abwechselnd länger und kürzer werden. Manchmal ballt sie eine Faust, spannt die Muskeln an und drückt ihren Oberarm, um zu spüren, wie stark und hart ihr Bizeps ist. Ihre Mutter hat ihr einst gesagt, dass alles, was im Leben geschieht, selbst die traurigen Dinge, einen Sinn hat. Und bisher hat sie noch nicht aufgehört, daran zu glauben.
Als es dann passiert, kann sie es gar nicht fassen, weder mit den Händen noch mit dem Kopf. Sie schleudert eine kleine tönerne Figur gegen die Wand, doch die Figur prallt nicht auf, sondern verschwindet einfach aus dem Blickfeld. Sie schreit und schreit, doch der Spatz, der unvermittelt auf dem Fenstersims landet, legt nur seinen Kopf schräg und sieht sie an, als würde er ihr Schreien gar nicht hören.
Sie geht hinaus, läuft über steinige Wege, steht auf weiten Feldern, umgeben von blassem Grün und Grau. Sie zieht an ihrer Zigarette und betrachtet die Rauchschwaden, wie sie ihre Form verändern und sich allmählich auflösen. Unter ihr graben sich in diesem Moment tausend Regenwürmer durch die Erde, doch sie bekommt nichts davon mit und es ist ihr egal. Sie betastet ihren Oberarm, der Muskel ist schlaff und weich. Ein kalter Wind beißt in ihre Wangen. Mit zitternden Lidern blickt sie nach oben, sieht die grauen Wolken, die starr am Himmel hängen. Sie fragt sich, ob ihre Mutter sie bewusst belogen hat oder es nicht besser wusste. Als sie die Augen schließt, sieht sie nichts, nur die kleine tönerne Figur auf einem Tisch, der nicht ihr gehört. Sie öffnet die Augen wieder. In der Ferne fliegt ein Spatz auf, und sie sieht ihm nach, bis er aus dem Blickfeld verschwunden ist.

Puh… woher kennst du mich?
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Keine Ahnung… Stalking, vielleicht… Vielen lieben Dank dir fürs Lesen!
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Wenn Mütter ihren Töchtern sagen, dass traurig sein auch irgendeinen Sinn hat, hoffen sie im selben Moment, dass es ein Trost sein könnte für etwas Vorübergehendes, auch wenn sie es besser zu wissen meinen.
Wieder eine sensible Betrachtung von Dir.
Einen schönen Tag für Dich.
LG von der Fee
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Vielen lieben Dank dir! Ich wünsche dir ebenfalls einen wunderschönen Tag!
Herzliche Grüsse…
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Das mit dem Sinn des Lebens ist so eine Sache…
Für MICH liegt er schon darin,
das Leben anzunehmen und es zu leben,
komme, was da wolle…
Liebe Grüße vom Finbar
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Ja, ist so eine Sache… Es anzunehmen ist jedenfalls ein gutes Rezept…
Vielen Dank dir fürs Lesen und für deine Worte, und herzliche Grüsse zurück…
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Man kann es auch gleich wieder wegwerfen, das Leben,
aber warum kamen wir dann überhaupt auf die Welt?!
Herzliche Grüße vom Finbar
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Stimmt, lieber Finbar!
Herzliche Grüsse!
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