Wenn sie sich berührt, fühlt sie sich lächerlich. Das war nicht immer so, im Gegenteil. Sie pflegte es zu genießen, im Alleinsein noch viel stärker als in jeglicher Art der Zweisamkeit. Diese Momente der absoluten Intimität verliehen ihr eine Art der Zufriedenheit, die weit über die rein körperliche Befriedigung hinausging. Sie empfand ein Gefühl der Freiheit, eine gewisse Loslösung von Raum und Zeit, jedes kleine Beben schien ein Impuls des Lebens zu sein. Sie weiß nicht, wann ihr das alles abhanden kam.
Manchmal hebt sie eine ihrer Brüste leicht an, hält sie eine Sekunde, lässt sie nach unten schnellen und registriert das Zerren am Gewebe. Sie klemmt ein wenig Bauchhaut zwischen die Finger, drückt sie zusammen und fragt sich, ob es früher schmerzvoller war als jetzt. Bisweilen stellt sie sich nackt vor den Spiegel, lässt ihre Schultern nach vorne kippen und spürt, wie der Rücken sich krümmt. Alles an ihr erzählt vom Zusammensacken.
Wenn sie die Augen schließt und ihre Finger über die Haut gleiten lässt, sieht sie Männer und Frauen, und diese Männer und Frauen, sie werden immer jünger. Doch wahrscheinlich trügt der Schein, wahrscheinlich werden sie gar nicht jünger. Sie bleiben so alt oder jung wie sie immer waren, nur sie selbst altert. Und womöglich spielt sie deshalb in ihren Fantasien immer häufiger gar keine Rolle, ist lediglich stille Zuschauerin, observiert eine Sexualität, die nicht ihre eigene ist.
Während sie auf der Couch sitzt und versucht, sich möglichst achtsam und zärtlich zu streicheln, hat sie plötzlich den Eindruck, einen fremden Körper zu berühren. Nur kurz, nur geringfügig. Doch es genügt, um den Moment mit erschütternder Absurdität aufzuladen. Sie wehrt sich zunächst, muss dann aber trotzdem lachen. Zu Beginn ist es nur ein leichtes Grinsen, doch dann wird es allmählich heftiger. Sie lacht laut auf, kurz und beinahe rufend. Ihr Körper schüttelt sich, ihr Lachen wird schrill und irr, immer ungezügelter. Als sie schließlich die Tränen aus den Augenwinkeln wischt, sieht sie ein, dass das Lachen längst vergangen ist.
Sie schlägt die Hände vors Gesicht, drückt die Handflächen an den Schädel und zieht sie nach hinten. Die Gesichtshaut spannt und dehnt sich. Sie zerrt immer mehr, so stark wie möglich. Dann lässt sie los.

Ein sehr intimes Thema, das in den innersten Bereich des Fühlens geht.
Die Bedürfnisse der Menschen sind sehr unterschiedlich, aber ich vermute, Dir geht es grundsätzlich eher um die Veränderung, die das eigene Denken im Laufe der Jahre erfährt.
Wenn ihr Lachen mit sich und über sich in hysterisches Weinen übergeht ist sie einfach sehr verzweifelt
Liebe Grüße von Bruni
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Ja, das eigene Denken, die eigene Wahrnehmung, das eigene Fühlen und wie es sich verändert im unerbittlichen Lauf der Zeit…
Vielen lieben Dank dir fürs Lesen und für deine Worte, liebe Bruni, und herzliche Grüsse zurück!
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Fein zartintim geschrieben, lieber Disputnik,
Selbstbefriedigung, ein wichtiger Teil des Lebens,
der den meisten Menschen immer noch die
aufgesetzte Schamesröte ins Gesicht treibt…
Herzliche Morgengrüße
vom Finbar
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Vielen Dank dir, lieber Finbar, fürs Lesen und für deine Worte… Und ja, nicht wenige Menschen reden beispielsweise deutlich offener darüber, wie sie einen anderen Menschen mutwillig verletzt haben, als darüber, wie sie sich selbst berühren, als ob Ersteres weniger Grund zum Schämen bieten würde als Letzteres…
Herzliche Grüsse zurück!
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Genauso ist es, lieber Schreibfreund, ein sehr zutreffender und passender Vergleich…
Menschen sind und bleiben eben sonderbare Wesen.
Hab einen schönen Tag!
Herzlich, Finbar
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