Die Bettwäsche aus ihrer Kindheit, sie ist blau. Pastellblau. RAL 5024, vielleicht. Darauf weiße Blumen mit fünf Blütenblättern und einem kurzen Stiel, die Blumen scheinbar achtlos hingestreut auf den pastellblauen Grund, erst bei genauem Hinsehen zeigt sich ein regelmäßiges Muster. Die Bettwäsche duftet nach Waschmittel, und das Waschmittel duftet so, wie Waschmittel dufteten, bevor sie Bezeichnungen wie Sommerfrische, Frühlingszauber oder Funkelnde Wildblüte trugen. Die Bettdecke liegt auf einer Matratze mit den Abmessungen 90×200 cm, das Bettlaken ist weiß, unten links ist ein kleines Loch im Stoff. Sie selbst liegt auf der Matratze und unter der Decke und weiß noch nicht, dass sie sich nie mehr so geborgen fühlen wird wie in diesem Moment.
Die Bettwäsche ist steif und seltsam rau, die blauen und grünen Flächen sind längst ausgebleicht, ein unangenehmer Geruch hängt in den Fasern. Sie blinzelt in das viel zu helle Licht zweier Neonröhren an der Decke, das kleine Zimmer wirkt wie ein Operationssaal, sie ist narkotisiert, und jemand zerrt an ihrem Körper. Sie hört ihn atmen, keuchend und gepresst. Sie spürt seine Zuckungen, hastig und heftig. Sie kennt ihn, glaubt ihn zu kennen, doch jetzt, in diesem Moment, der doch so wichtig und wertvoll sein soll, etwas Besonderes und Außergewöhnliches, jetzt ist er kalt und fremd. Sie will ihn wegdrängen, doch ihre Glieder sind bleiern und klamm, jede Kraft scheint aus ihrem Leib entwichen. Ihre Lippen bewegen sich zitternd, doch ihre Stimme bleibt stumm, die Worte verkümmern in der Kehle. Sie starrt an eine kahle Wand und wartet, bis es zu Ende ist.
Die Bettwäsche ist bereits verpackt, die alte Decke und die ausgemergelten Kissen sind entsorgt, die Schränke ausgeräumt. Die kleinen Objekte und Gegenstände, mit denen sie ihre Wohnung und ihr Leben gefüllt hat, liegen in Kartonkisten und haben eine lähmende Leere hinterlassen. Es ist nicht das erste Mal, dass sie umzieht. Doch zum ersten Mal überwiegt nicht die freudige Erwartung, dass etwas Neues beginnt, sondern das dumpfe Gefühl, dass etwas endet. Nach den Jahren, in denen sie sich eine Existenz zusammenbaute und Schicht um Schicht aufeinanderstapelte, folgt nun die Dekonstruktion. Sie legt sich nackt auf die nackte Matratze im nackten Zimmer und starrt an die nackte Wand. Sie schließt die Augen und sieht einen pastellblauen Stoff, darauf weiße Blumen mit fünf Blütenblättern und einem kurzen Stiel, die Blumen scheinbar achtlos hingestreut. Sie presst die Augenlider zusammen, heftig und intensiv, so intensiv wie möglich. Trotzdem verschwinden sie wieder, die Blumen auf der Bettwäsche, bleichen allmählich aus.

oh, was endete hier, Ihr selbstbestimmtes Leben?
Wird sie umziehen in ein Seniorenheim, weil sie nun immer Betreuung brauchen wird?
Traurig ist es, aus den eigenen vier Wänden und den lieb gewordenen Möbeln und Accessoires
wegzumüssen in eine Umgebung, die fremd ist, von der man vorher schon weiß, daß man sie nicht mögen wird …
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Ja, der Wegzug aus dem angestammten Leben kann oft schwierig sein, ganz egal, wohin die Reise geht… Vielen lieben Dank dir fürs Lesen und für deine Gedanken, liebe Bruni… Herzliche Grüsse und frohe Ostern!
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Auch dir und deiner Familie schöne Ostern .
Sucht ihr auch Ostereier,lieber Disputnik
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Vielen lieben Dank dir, liebe Bruni… Mal sehen, ob jemand Eier versteckt hat…
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