Du stehst da, inmitten von weißem Schweigen, ganz allein. Wirfst dein Herz in die Luft und hoffst, dass es jemand auffängt. Doch niemand fängt einen alten Muskel, schon gar nicht bei dieser Kälte. Du und dein Herz. Und was du damit machst.
Früher war nicht alles besser, aber du warst besser darin, aus allem das Beste zu machen. Damals hast du jeden Tag ergriffen, warst von jeder Nacht ergriffen, hast dich nahezu nackt in den Schnee fallen lassen und einen Engel gemalt. Heute bleibst du meist auf freigeräumten Wegen und meidest lange Aufenthalte im winterlich kalten Freien. Nur jetzt nicht. Jetzt lehnst du dich auf, gegen die Gegenwart, gegen die Vergangenheit, gegen die Zeit. Und stehst da, inmitten von weißem Schweigen, ganz allein.
Du dachtest an Edith Piaf, die nichts bereute, nichts bedauerte. Nur ein Lied, nur ein Refrain, sagtest du dir. Du glaubtest Edith Piaf nicht, glaubtest niemandem, der behauptete, nichts zu bereuen. Gleichzeitig befremdete es dich, wie viel du selber bereutest. Die Dinge, die du getan hast. Die Dinge, die du nicht getan hast. Die Dinge, die du eingesperrt hast in deinem Herzen. Die Dinge, die du ausgesperrt hast.
Von jetzt an soll sich alles ändern. Die Dinge sollen sich ändern. Die Undinge sowieso. Das Einzige, was du fortan noch bereuen willst, ist die Tatsache, dass du bisher so vieles bereut hast. Du willst Edith Piaf glauben. Du willst alles hinter dir lassen, willst wieder bei Null anfangen. Du willst neue Engel in den Schnee malen, ohne zu bedauern, wenn sie dereinst zu Schmelzwasser zerfließen und versickern.
Du weißt, es braucht Mut, es braucht Kraft, es braucht Überwindung. Doch du fasst dir ein Herz. Wirfst es in die Luft und hoffst, dass es jemand auffängt. Doch niemand fängt einen alten Muskel, schon gar nicht bei dieser Kälte. Das Herz fällt in den Schnee. Da sind keine Engel, es wird auch keine geben, und du blickst dich um, ohne etwas zu sehen. Edith Piaf ist tot. Und was bleibt, ist weißes Schweigen.

Ich brauche übrigens keinen Stock *lach*
Liebe Grüße an Dich
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Schön…! Herzliche Grüsse zurück…
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Nein, das glaube ich nicht, lieber Disputnik.
So ist es nicht, auch wenn es fast zu spät für Jüngere scheint, auch später, wenn man manchmal lieber auf freigeräumten Wegen geht, wenn ein Stock beim Gehen stützen muß, kann es noch Veränderungen geben und Herzen, wenn auch alte Muskel, können aufbegehren und mitten im Schnee wärmende Stellen finden, die dem Muskel, den wir Menschen Herz nennen, gut tun.
Liebe trotzige und leise vor mich lächelnde Grüße von Bruni 🙂
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Ja, natürlich, es ist eigentlich nie zu spät, um neu anzufangen oder aufzubegehren gegen die Undinge der Zeit. Doch es gibt wohl auch Lebensphasen, in denen manchen Menschen der Mut dazu fehlt und sie vom Bedauern und Betrauern vereinnahmt werden…
Vielen Dank fürs Lesen und das Lächeln und die Trotzigkeit und für deine Worte, liebe Bruni, und herzliche Grüsse zurück…
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