Seine Hände sind warm und weich, so warm und weich, dass sie erschrickt und zusammenzuckt. Sie entschuldigt sich für ihre Reaktion, doch er schweigt.
Maria weiß nicht genau, wann sie zum letzten Mal von einem Mann berührt worden ist, wirklich berührt, bewusst. Vielleicht ist es fünfzehn Jahre her, wahrscheinlich mehr. Damals war es Hugo, ihr Mann. Hugos Hände waren nicht warm und weich, sondern kalt und hart, als wären sie nur ein weiteres Werkzeug in seinem Hobbyraum. Hugo war nicht zärtlich, in keinem Moment, höchstens im letzten. Aber er meinte es nicht böse, er konnte einfach nicht anders, und sie, sie hatte sich daran gewöhnt, weil man sich an nahezu alles gewöhnen kann.
Der Masseur hatte sich als Pepe vorgestellt, doch Maria ist ziemlich sicher, dass dies nicht sein richtiger Name ist. Ein Pepe ist ein südländischer Mann, ein Spanier vielleicht, mit dunklen Haaren und funkelnden Augen. Dieser Pepe ist ein Lars, skandinavischer Typ, mit blonden Haaren und braunen Augen. Sie mag das, mochte solche Männer schon immer, Männer wie Björn Borg. Hugo hatte braunes Haar, die Augenfarbe war seltsam undefinierbar.
Als ihre beiden Töchter ihr den Gutschein für eine Massage schenkten, war Maria peinlich berührt. Sie wollte ihn zunächst gar nicht annehmen, tat es dann aber doch, war aber sicher, dass sie ihn nie einlösen würde. Und jetzt liegt sie hier, unter Pepes Händen. Wenn auch nur, weil ihre Töchter einfach einen Termin für sie vereinbart hatten.
Seine Finger schweben nahezu über ihre Haut, er berührt sie kaum. Trotzdem verspürt Maria eine ungewohnte Elektrizität in ihrem Innern, ein dumpfes Kribbeln. Einen Moment lang fragt sie sich, ob mit ihrem Körper etwas nicht in Ordnung ist, ob es krankes Material ist, das auf die Berührung reagiert. Maria ist einundsechzig Jahre alt, aber sie war noch nie ernstlich krank. Irgendwann wird es beginnen.
Der Raum ist warm, ein süßlicher Duft liegt in der Luft, in allen Winkeln brennen Kerzen. Im Hintergrund läuft leise Musik. Panflötenmusik, mit elektronischem Rhythmus unterlegt. Hugo hatte Panflötenmusik gehasst, also war sie nie zu hören gewesen in ihrem kleinen Haus. Maria weiß nicht, ob sie Panflötenmusik mag. Aber sie passt in den Moment.
Einige Male versucht sie, mit Pepe ins Gespräch zu kommen, doch seine Antworten bleiben einsilbig, er redet nicht gern, zumindest nicht hier, nicht mit ihr. Also liegt sie schweigend da, er massiert schweigend ihren Körper, während die Panflötenklänge den Raum erfüllen.
Pepe verstärkt seinen Griff, beginnt damit, jeden Muskel zu kneten. Seine Hände ertasten ihren Körper, routiniert und achtsam zugleich, und Maria verspürt eine gewisse Beklommenheit, als sie merkt, wie sie selbst ebenfalls ihren Körper erkundet, ohne sich zu bewegen, wie sie ihn neu entdeckt, neu begreift. Jeder Teil von ihr scheint mit einem anderen Teil in Verbindung zu stehen, jede Stelle ist empfindsam und hellwach, sie ist stark, sie ist verletzlich, und einige Berührungen von Pepe werden direkt in ihr Innerstes geleitet. Er massiert ihren Rücken, seine Finger gleiten über die Haut, ganz zart, ganz zärtlich. Maria fragt sich, ob es für Pepe ebenfalls eine sinnliche Erfahrung ist. Ob es, wenn er sie berührt, in ihm etwas auslöst, wie es in ihr etwas auslöst. Ob es ihm gefällt. Ob sie ihm gefällt, oder gefallen hätte, früher. Als sie sich schließlich fragt, ob Pepe sie lieben könnte, lächelt sie über ihre eigene Naivität.
Irgendwann glaubt sie ein Kribbeln und Ziehen zwischen den Beinen zu bemerken, längst vergessen geglaubte Kontraktionen. Sie stößt unabsichtlich ein merkwürdiges Wimmern aus, windet sich ein wenig. Dann reißt sie die Augen auf und täuscht einen heftigen Hustenanfall vor.
Als sie sich von Pepe verabschiedet, kann sie ihm kaum in die Augen schauen. Er lächelt und sagt, dass er sich freuen würde, sie wieder einmal massieren zu dürfen. Maria räuspert sich und erwidert stammelnd, dass ihr dies auch gefallen würde. Als die Tür zum Massageraum hinter sich schließt, bleibt sie einige Sekunden lang stehen. Sie spürt das Grinsen in ihrem Gesicht. Dann geht sie weiter.

wunderschön geschrieben,beschrieben…..
ohne Berührungen verkümmert der Mensch
liebe Grüße zu dir Sarah
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Vielen lieben Dank dir, und herzliche Grüsse zurück…
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einen schönen Abend für dich
Sarah
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Danke, den wünsch ich dir auch…
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so stelle ich mir eine wirklich gute Massage vor
Lächelnde Grüße von Bruni
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Oh, schön, das freut mich sehr… Vielen Dank dir und herzliche Grüsse, liebe Bruni…
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Was für ein wunderbarer Text! Und so frei von Deiner „dunklen“ Seite. „Neue Zärtlichkeit“ 🙂
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Dunkle Seite? Ich?
„Neue Zärtlichkeit“ ist ein schöner Ausdruck, danke dir!
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Zauberhaft schöne virtuelle Massage…
Liebe Wintergrüße vom Finbar
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Vielen lieben Dank dir, lieber Finbar!
Liebe Wintergrüsse zurück!
(Und: ich mag dein aktuelles Profilbild.)
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(Das klingt schön und freut mich sehr.)
Eine fantastische Ausnahme-Erscheinung, dieser Björn Borg, vor allem die Matches mit McEnroe sind ja legendär…
und nun ist er letztes Jahr sechzig geworden…
doch als Masseur immer noch ein Höhepunkt und Gold wert!
Liebe Morgengrüße vom Finbar
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…. wow….. da musste ich heftig schlucken. …….. Total klasse geschrieben…..
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Vielen Dank dir fürs Lesen und für deine Worte!
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