Die Menschen sind über die banalen Sessel gestreut, ein Eisenbahnwagen voller Existenzen, die sich nicht berühren; man lebt und atmet hier nebeneinanderher und aneinander vorbei, und wahrscheinlich ist es allen recht so. Man ist sich fremd, aber zumindest ist man vereint im Fremdsein.
Zwischen all den Gesichtern, die keine Geschichten erzählen mögen, ist eines, das anders ist. Es gehört einem Mann von undefinierbarem Alter, weder alt noch jung; auch seine Haarfarbe trotzt jeder Einordnung, ist nicht blond, nicht grau. Doch wahrscheinlich spielt es gar keine Rolle, denn der Mann ist sowieso nicht wirklich da. Sein Blick entflieht in einem seltsamen Winkel, schräg nach oben. Man weiß nicht, was er dort sieht, doch offensichtlich ist es etwas Schönes, denn der Mann, er lächelt ein Lächeln, das entweder von einer warmen Erinnerung oder von einer zarten Sehnsucht erzählt.
Der Mann selbst, er ist nicht schön, zumindest nicht im üblichen Sinn. Die Stirn ist seltsam wuchtig, die Ohren wirken wie aufgeklebte Hautlappen, die Lippen sind schmal und asymmetrisch gekrümmt. Auf den ersten Blick wirkt er wie ein wütender Rentner, frusterfüllt und ignorant. Doch der zweite Blick lässt sein Gesicht erwachen und erstrahlen. Und ohne Absicht beginnt man, sich eine Geschichte für ihn zurechtzulegen. Man vergisst die Menschen im Zug, nur noch der ältere Mann ist da, und mit ihm seine Geschichte, oder eben jene, die man für ihn erfindet. Und während man fantasiert und fabuliert, entflieht der Blick in einem seltsamen Winkel, schräg nach oben. Es gibt dort eigentlich nichts zu sehen. Doch offensichtlich ist es etwas Schönes.

Ich denke auch, daß es ihn amüsiert, was er da beobachtet und desahalb auch dann das Darüberschreiben 🙂
Liebe Grüße auch an Dich
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vereint im Fremdsein… Was für ein guter Gedanke! So ist es wirklich.
Keiner kennt den anderen und mag ihn auch nicht kennenlernen und doch sehen einige von denen, die da sitzen vieles, mehr, als wir uns vorstellen.
Der Mann, der anders ist als die anderen, der an eine Stelle sieht, an der nichts zu sehen ist, sieht vielleicht dort dieses Fremdsein, dieses Nichtkennenwollen, dieses ich will alleine bleiben, will mich mit den anderen nicht abgeben und er amüsiert sich darüber, lächelt in sich hinein und wenn er zuhause ist, schreibt er darüber und das weiß er jetzt schon; es freut ihn.
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Ja, vielleicht amüsiert ihn das allgegenwärtige Kontaktvermeiden, vielleicht ist er auch einfach in Gedanken an einem ganz anderen Ort, getragen von der Fantasie… Herzlichen Dank dir, liebe Bruni, fürs Lesen und für deine Gedanken und Worte…
Liebe Grüsse…
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