Er war Hausmeister einer Schule. Die Schule war klein, aber er war groß. Er war beinahe zwei Meter hoch, doch er wirkte seltsam zierlich und unscheinbar, er ging stets ein wenig gebückt und überdies den Menschen gern aus dem Weg, und wenn man ihm begegnete und ihn anschaute, wichen seine Augen den Blicken aus. Manchmal sprach er, mit seiner dünnen und hohen Stimme, dann sah er kurz auf und rasch wieder angestrengt zu Boden, als wäre dort ein Text vermerkt, den er vorzulesen hätte. Er war sehr merkwürdig, und zu den merkwürdigsten Merkmalen zählten zweifellos seine Arme und Beine. Diese waren zwar durchaus muskulös und schienen nicht ganz zum hageren Ganzkörperbild zu passen, doch vor allem war die Haut der Gliedmaßen zumeist komplett glattrasiert, was seiner gesamten Erscheinung eine weitere Dimension der Seltsamkeit verlieh. Er wirkte wie ein viel zu großes und viel zu dünnes Kind, mit dem niemand spielen wollte. Man lachte ihn nicht aus, niemand zeigt mit dem Finger auf ihn, aber man kicherte, man tuschelte, und manchmal ließ das gewaltsame Unterdrücken einer lautstarken Reaktion ein merkwürdiges Grunzen entfliehen. Er war ein komischer Kauz, und komische Käuze fliegen häufig in der Peripherie, man schiebt sie unbewusst an den Rand, vielleicht, weil man nicht weiß, wo sie hingehören, oder man selbst. Der Hausmeister, er blieb am Rand, und dann verschwand er.
Irgendwann, Jahre später, fand ein Schwimmwettbewerb statt, und man ging hin, weil man jemanden kannte, der jemanden kannte, der am Schwimmrennen teilnahm, und man rollte wohl gewisse Hintergedanken durch den Kopf, denn die Vorstellung, in voller Bekleidung mehrere Stunden im feuchtwarmen Klima eines riesigen Hallenbades zu verbringen, war kaum entscheidend für das Zugegensein. Man interessierte sich vielleicht für die Begleitperson, aber keinesfalls für die Schwimmer oder die sportlichen Leistungen. Bei der Siegerehrung freute man sich, bald aufbrechen zu können, doch dann, kaum wahrnehmbar, hörte man diesen Namen, der Erinnerungen wachrief, und tatsächlich, da stand er, der Hausmeister, auf seinen rasierten Beinen, am Rand des Schwimmbeckens, zufrieden grinsend und die größte der kleinen Trophäen in Empfang nehmend und schließlich nach oben stemmend, mit seinen rasierten Armen. Und man sah nach unten an den Rand, auf den Hausmeister, und man merkte, dass er wohl genau dorthin gehörte. Er schaute nach oben, schaute sich um, doch man wich seinem Blick aus und starrte auf die Wasseroberfläche, wo sich die Welt spiegelte.

Sehr gute Geschichte!
Wir leben in verschiedenen Welten, hm?
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In verschiedenen und der gleichen zugleich, wahrscheinlich…
Vielen lieben Dank dir fürs Lesen und für deine Worte…
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Das ist schön. Und passt zu meinem aktuellen Artikel.
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Vielen lieben Dank dir. Und ja, passt tatsächlich gut…
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