Manche Menschen tragen eine gewisse Herzlichkeit in sich, da ist Wärme in den Augen, ein inneres Strahlen sogar, man glaubt, das pulsierende Herz erkennen zu können, aber sie, sie gehört nicht zu diesen Menschen; ihre Lippen sind schmal und oftmals zusammengekniffen, die Augen häufig zu dünnen Schlitzen geformt, die nur ausgetrunkene Blicke entweichen lassen, ihre Stimme schneidet in die Räume, die Worte kommen schwallartig, ohne viel zu sagen, ihr kleiner Körper wirkt stets ein wenig gebeugt, ein krummes Etwas auf kurzen Beinen, und wenn man ihr begegnet, hat man den Eindruck, die Luft würde sich abkühlen, und es ist kaum vorstellbar, sie zu mögen, sie ist einfach ein unangenehmer Mensch, doch eigentlich spielt das gar keine Rolle; wenn man sie sieht, grüßt man sie, weil man dies als anständig erachtet, aber man denkt sich nicht viel dabei, sie beansprucht keinen Raum im eigenen Gefühlserleben, sie ist nicht von Belang, sie ist ziemlich egal, doch dann stirbt ihr Sohn, zwanzig Jahre alt vielleicht, ein Motorradunfall, und kurze Zeit später stirbt ihre Tochter, Lebensmüdigkeit, und ihr Mann ist sowieso längst verschwunden, und als man ihr dann über den Weg läuft, sucht man in ihren Augen nach einem Signal, nach irgendwelchen Rissen im Glas, doch da ist nur die gewohnte Leere, nicht viel anders als zuvor, so scheint es zumindest, und man überlegt, ob man etwas sagen soll, ob man kondolieren, sein Mitgefühl, sein Beileid ausdrücken soll, doch alles, was über die Lippen kommt, ist ein Satz, der so klingt, als würde er von einer Trauerkarte abgelesen werden, und sie bedankt sich und zuckt mit den Schultern und sagt, es ist nun mal so, wie es ist, das Leben geht weiter, und man fragt sich, welches Leben sie wohl meint, und man weiß nicht, was man noch sagen soll; einige Sekunden lang steht man sich noch stumm gegenüber, dann nickt sie und geht weiter, und während man ihr nachblickt, spürt man, wie die Luft wieder ein wenig wärmer wird.

Ein starker Text! Kompliment!
Wenn Gefühle zu viel Schmerz bereitet haben, werden sie irgendwann betäubt. Oft ist es die einzige Weise zu überleben. Und paradoxerweise ruft diese Frau in uns genau die Reaktion hervor, die sie braucht, um sich in ihrer Betäubung zu bestätigen.
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Du hast wohl Recht mit dem Überlebensmechanismus und den betäubten Gefühlen, und auch damit, dass man damit kaum richtig umgehen kann… Herzlichen Dank dir fürs Lesen und für deine Worte…
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Ein heftiger Text, der noch lange nachhallt!
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Danke fürs Lesen und Hinhören und für deine Worte!
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Immer wieder gern! 🙂
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Eine Charakterstudie, die viele Fragen aufwirft, unter anderem auch die, warum sie so geworden sein mag oder ob sie schon immer so war. Nicht jeder Mensch verfügt über Gefühlstiefe. Mancher hat mehr davon, ein anderer weniger. Also wäre es bestenfalls spekulativ zu hinterfragen, ob sie nun so geworden ist wie sie ist oder doch schon immer so war. Solche Menschen wie die Frau, die Du beschreibst, sind mir auch schon begegnet. Tiefergehende Gespräche sind nicht zustandegekommen und ich fragte mich, ob sie sich durch ihre Distanziertheit und Kühle schützen oder einfach schon immer so waren. Meistens bekam ich keine Antworten. Jedenfalls nicht von denen, die immer schon distanziert und kühl waren. Bei den anderen kam es vor, dass sie die Maske aus zur Schau getragener Verbitterung und Kälte fallen ließen und dahinter ein Mensch stand, der viel Leid im Leben erdulden musste. Du hast sehr eingehend und detailliert, wie ich es von Deinen Texten kenne und so mag, einen Menschen dargestellt, der nicht tief zu sein scheint und es dennoch ist. Fein und Dank und liebe Grüße…
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Ich glaub schon, dass es Gründe und Erklärungen gibt für ein derartiges Verhalten, für diese Verschlossenheit und Kälte. Und es steckt wohl immer eine Geschichte hinter der kalten Fassade. Und irgendwie ist es schade, dass sie so selten erzählt werden (können), diese Geschichten…
Vielen lieben Dank dir fürs Lesen und für dein Hinein- und Weiterdenken… Hzerliche Grüsse!
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Für eines wie die Lady aus Deiner Geschichte es zeigt, sicherlich. Doch generell ist es mit Gefühl wie mit Haaren: Einer hat viel davon , der andere weniger…
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Bei mir werden die Haare immer weniger. Ist es mit dem Gefühl auch so? Wird das weniger mit dem Alter?
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Wer weiß? Vielleicht stumpft es bei manchen ab mit den Jahren, bei anderen nimmt es vielleicht zu und sie werden empfindlicher. Vielleicht ist das wirklich von Mensch zu Mensch verschieden. Einer leidet viel oder freut sich viel und einem anderen geht nicht so schnell etwas unter die Haut.
Mag sein, dass die Verteilung von Gefühl im Vergleich mit Haaren auf dem Kopf hinkt. Doch Naturelle von Menschen sind unterschiedlich und nicht jeder Mensch ist gefühlvoll.
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Ja, wir sind alle gleich, wir sind alle verschieden, wir sind alle gleich verschieden, und manchmal ist’s nicht einfach, aber eigentlich ist es gut so…
Nochmals herzlichen Dank dir und schönes Restwochenende…
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Es ist gut so. …
…es sucht und findet sich im schönsten Falle so zueinander wie es sich braucht
– wenn das Leben es gut meint….
Ich wünsch Dir und Deinen Lieben ebenfalls ein schönes Restwochenende…✨
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Vermutlich hatte es viele Gründe, aber nun ist es zu spät.
Ich glaube nicht, daß sich noch etwas ändern wird. Leider.
Sie wird es nicht mehr wollen und nicht mehr können.
Sie ist an diesen Zustand zu sehr gewöhnt…
Danke, daß Du bei mir kommentiert hast… *lächel*
Ich weiß, wie ungerne Du es tust.
Liebe Grüße in Dein Familywochenende von Bruni
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Nein, es wird sich wohl nichts mehr ändern, sie wird sich nicht mehr ändern; es fehlt wohl an Flexibilität und Bereitschaft, oder vielleicht auch nur am Mut..
Herzliche Grüsse an dich und ebenfalls ein schönes Wochenende dir…
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Diese Menschen haben es sehr viel schwerer im Leben als die warmherzigen.
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Das ist wohl so, ja. Doch es ist wahrscheinlich auch schwieriger, mit ihnen umzugehen…
Herzlichen Dank fürs Lesen und für deine Worte…
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„das Leben geht weiter, und man fragt sich, welches Leben sie wohl meint“, toll dargestellt. Solchen Menschen begegnet man viel zu oft. Die Gründe der Bitterkeit sind oft banal, schade – und eigentlich haben wir überhaupt keinen Grund, miesepetrig zu sein. Gruß
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Ja, und häufig ist es so, dass jene, die mehr Grund hätten, miesepetrig zu sein, es viel weniger sind… Vielen lieben Dank fürs Lesen und für deine Worte…
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Eine sogenannte *kalte* Frau? Ein verbitterte? Aber warum ist sie es?
Was erlebte sie, damit sie so werden konnte, oder sollte sie etwa immer so gewesen sein`?
Aber sie hatte einen Ehemann, zwei Kinder…
Was ist passiert?
Hast Du Antworten darauf, lieber Disputnik?
Fast passt es zu meinen Worten von heute – da könnte es seinen Ursprung haben, das Insichzurückgezogene…
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Die Frage nach dem Warum, sie ist gerade bei solchen Menschen wohl ein grosses Mysterium… Vielen herzlichen Dank dir, liebe Bruni, fürs Lesen und für deine Gedanken…
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