Man mag ihn nicht, hat ihn nie gemocht. Vielleicht hat man es zu Beginn noch versucht, aber nie wirklich geschafft, und irgendwann hat man dann wohl aufgehört, es überhaupt in Betracht zu ziehen. Man hat sich damit abgefunden, dass man gewisse Menschen liebenswert oder sympathisch findet, er aber nicht zu diesen Menschen zählt.
Die Abneigung, sie hat gute Gründe. Seinen Hochmut etwa, diese durchdringende Arroganz und seine Überzeugung, etwas Besonderes zu sein. Sein konstantes Signalisieren von Überlegenheit, ganz ohne Veranlassung oder Rechtfertigung. Seine unverhohlene Homophobie und Misogynie, nur vereinzelt marginal abgemildert durch ein süffisantes Lächeln. Sein offensiver Rassismus und die oftmals hetzerischen Aussagen, getrieben von haltlosen Vorurteilen und einem lächerlichen Heimatstolz. Die konsequente Verweigerung konträrer Meinungen und das Unvermögen, sich auf konstruktive Diskussionen einzulassen. Und ganz abgesehen von diesen Aspekten ist die Abneigung wohl auch eine unbewusste Gemütsregung. Man hätte ihn wahrscheinlich selbst dann nicht sonderlich gemocht, wenn er ein herzensguter Mensch gewesen wäre.
Doch dann wird er krank, der Krebs frisst sich in ihn hinein, und sein gesamtes Wesen wird überschattet von einem ohnmächtigen Elend, das kaum noch Worte kennt. Er liegt in einem stickigen Zimmer, umgeben von kahlen Wänden und einem Fenster, das sich nicht öffnen lässt. Seine Haut wird grau, die Augen trocknen aus, die Schmerzen verschieben seine Gesichtszüge. Und eigentlich könnte man an dieser Stelle von Läuterung erzählen, von der Entdeckung der Menschlichkeit, von erweckten Gefühlen, vom Verzeihen und Versöhnen. Doch da ist nur dieser Mann, der sich vom Leben betrogen fühlt. Er hustet, er röchelt, und manchmal flucht er in die Stille hinein. Und irgendwann, als er noch nicht sterben kann, aber auch nicht mehr leben mag, steigt er hinab in den Keller, bindet ein Seil an die Decke und hängt sich daran auf.
Als man davon hört, verknotet sich etwas im Innern, irgendwo hängt ein Klumpen im Gefüge. Man fühlt sich seltsam schuldig, das Gewissen beißt auf die Unterlippe, obwohl man eigentlich kein Fehlverhalten erkennen kann. Und man denkt sich in seine Welt, vielleicht zum ersten Mal so richtig, man sucht nach Erklärungen. Natürlich findet man nichts, man kennt sich nicht aus, alles ist noch immer so leer und fremd wie zuvor. Und man fragt sich, woher sie kam, die Kälte. Nicht die neue, nach dem Sterben. Sondern jene davor.

*lächel*, danke fürs Mögen, lieber Disputnik.
Nein, ene Entschuldigung ist es natürlich nicht, aber ein Versuch, Arroganz verstehen zu können.
Vor vielen Jahren gelang es mir zufällig, eine Arroganz zu durchbrechen für einen kleinen Moment u. das Gesicht dabei vergesse ich nie. Es war plötzlich nackt und bloß und dann fiel wieder die arrogante Maske darüber. Es war ein seltsames Erlebnis mit einem mir sehr unsympatischen Menschen…
Liebe Grüße an Dich
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Klingt spannend, dein Blick hinter die arrogante Fassade und das wahrscheinlich beidseitige Erschrecken…
Herzlichen Dank dir und liebe Grüsse…
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Das tragische an solchen Menschen ist, dass sie oft darum so sind wie sie sind, weil die, die sie am Anfang hätten mögen sollen, sie nicht wirklich gemocht haben. Das ist, wie Du richtig sagst, zwar keine Entschuldigung, aber immerhin eine Hilfe zum Verständnis dieser Menschen. Paradoxerweise tun sie unbewusst alles, um sich immer wieder zu beweisen, das es stimmt, was sie erfahren haben.
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Ja, die Tragik ist zweifellos da. Die ist wohl immer da, selbst bei den furchtbarsten Gestalten. Aber manchmal frag ich mich, wie man damit umgehen soll. Wenn überhaupt. Ob man einer solchen Tragik auf den Grund gehen soll. Oder sie einfach ignoriert.
Herzlichen Dank dir fürs Lesen und für deine Worte…
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Sondern jene davor… Damit endet Dein Text.
und wenn wir es zurückdrehen könnten, würden wir erkennen, daß wir bei gleichem Verhalten in der gleichen Weise reagieren würden.
Überheblichkeit und Arroganz rufen diese Reaktionen hervor, wir mögen sie immer noch nicht und mochten sie nie und wäre er liebenswert gewesen, wäre alles anders verlaufen.
Und doch ist Arroganz oft genug ein Schutz, um Isoliertheit zu verbergen. Um nicht zeigen zu müssen, daß im Innern eine große Unsicherheit wohnt…, die sich aber so gut verbirgt, weil er es lange genug geübt hat. Er beherrscht seine übergestülpten Eigenschaften meisterlich.
Vermutlich weiß er irgendwann selbst nicht mehr, daß er im Grunde seines Wesens der schüchternste und einsamste Mensch der Welt ist.
Überheblichkeit und Arroganz sind an ihm festgewachsen wie eine schützende Ölhaut bei strömendem Regen mitten im Ozean der menschlichen Gefühle.
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Wie unglaublich wundervoll, die Bilder, die du in deinem Kommentar malst; besonders angetan hat mir jenes am Schluss, die Ölhaut im strömenden Regen mitten im Ozean der menschlichen Gefühle, und alles prallt ab, alles fliesst hinab…
Ja, womöglich ist Arroganz häufig ein Schutz, eine Reaktion auf einen Umstand. Und doch entschuldigt dieser Umstand, sei es Unsicherheit oder Einsamkeit oder tiefste Wunden, wohl nicht einfach so jegliches Verhalten…
Vielen herzlichen Dank, liebe Bruni, fürs Lesen und für deine wunderbar feinen Worte… Herzliche Grüsse!
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