Mitunter sind die banalsten Sätze auch die unerträglichsten, den einfachsten Fragen folgen bedrückend komplizierte und dennoch unverbindliche Antworten. Man könnte fragen: Warum Krieg? Eine Frage, auf die schon Einstein und Freud in ihrem publizierten Briefwechsel keine abschließende Klärung fanden. Man könnte fragen, wohin man geht, wenn man am Ende angekommen ist, doch man weiß, dass die Erwiderung ausbleibt. Man könnte nach dem Sinn des Lebens fragen, auch wenn man seine Antwort selbst zu finden hat.
Sie fragt etwas anderes. Warum tut es nicht weh? Sie knetet eine ihrer Hände mit den Fingern der anderen; ein Aufeinandertreffen von Fremdkörpern. Warum tut es nicht weh, wenn ihre Großmutter stirbt? Warum tut es nicht weh, wenn sie kein Geld auf der Bank hat? Wenn die Sehkraft allmählich abnimmt? Wenn sie zu häufig zu viel trinkt? Warum tut es nicht weh, wenn sich Freundinnen nicht mehr melden und unweigerlich aus ihrer Welt verschwinden? Wenn alte Bekannte sie nicht mehr grüßen? Wenn immer mehr Namen entfallen? Warum tut es nicht weh, dass sie manchmal erschrickt, wenn das Holz knackt und knarrt? Wenn sie mit starrem Blick den Tanz der Staubkörner betrachtet? Wenn sie mit dem Daumen stets die gleiche Stelle am Handgelenk streichelt? Warum tut es nicht weh, wenn die letzten kleinen Geschäfte schließen? Wenn das Wohnhaus ihrer Kindheit abgerissen wird? Wenn Düfte nur noch ein vages Erkennen, aber keine Erinnerungen mehr auslösen? Die Fragen blitzen auf und blinken kurz, wie Wetterleuchten. Dann werden sie fortgerissen, vom Wind, von der Rotation der Erde, von der Zeit, vielleicht. Dann ist es still. Und womöglich tut zumindest diese Stille weh. Zumindest die Leere. Zumindest das Schweigen nach den Fragen.

ähem. Text 🙂
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Ob mit oder ohne „t“; vielen Dank!
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😀
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wunderbarer Tex
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Ja, warum tut das alles nicht mehr weh, warum kam nach dem Schmerz nur noch diese scheinbare Gleichgültigkeit, diese Taubheit?
Die Fee hat diese Fragen wundervoll beantwortet, denke ich und ich möchte an keinem Teil der Antworten rütteln, denn das wäre vermessen von mir.
Wir besitzen wohl einen gut funktionierenden Verdrängungsmechanismus, der es uns ermöglicht, etwas zur Seite zu schieben, was *lästig* ist.
Und doch gibt der Schmerz in der Seele nicht auf, er ist ja raffiniert u. erkennt genau, wo er sich ausdrücken kann. So ein Rücken ist praktisch, seine Angriffsfläche lädt zum Verweilen ein, auch der schöne weiche Bauch reagiert u. die inneren Organe überlegen noch, wie und wann sie sich am besten bemerkbar machen sollten…
Es sieht aus, als würden wir nicht fühlen und fühlen doch diese entsetzliche Gleichgültigkeit , diese Taubheit und gehen an ihr zugrunde, wenn es uns nicht gelingt, mit unserer Seele Kontakt aufzunehmen und mit ihr gemeinsam einen guten Weg zu finden…
Grübelnde Grüße von Bruni
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Ich mag dein Grübeln, liebe Bruni, wenn du es dann in solche feine Worte fassen kannst… Ja, manchmal kann sich der seelische Schmerz wohl sehr gut ein physisches Ventil suchen, ebenso kann die seelische Taubheit vielleicht auch den Körper zu einer gewissen Lethargie drängen…
Vielen herzlichen Dank dir, liebe Bruni, für dein Lesen und für deine tiefschürfenden Gedanken…
Liebe Grüsse zurück…
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Wenn Schmerz zu viel wird, reagieren Seele wie Körper mit Taubheit, eine sedierte Stelle ist beruhigt, kann besser heilen. Doch manchmal und gerade auch bei seelischem Schmerz, kann es geschehen, dass die Taubheit chronisch wird.
Weil der Schmerz andauernd zu viel ist…
…es gibt Kriege, weil Gier und Macht die Revieransprüche beherrschen, der Sinn des Lebens ist Daseinsfreude und das alles zu wissen und nichts dagegen tun zu können, dass manche Dinge unabänderlich sind, verursachen Schmerzen, die irgendwann zu Taubheit führen.
Doch,
es tut weh.
Und wie…
…und wie gut, das nicht beständig fühlen zu müssen.
Und wie schlecht, es nicht beständig fühlen zu können.
Den Schmerz, der doch ursprünglich als Signal gedacht ist, etwas Krankes zur Heilung anzuregen.
Toller Text.
Wieder so einer, der…Du weißt schon…✨
Liebe Grüße von der Fee
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Weitaus toller als der Text sind deine Worte und die Tatsache, dass mein Geschreibe dazu Anlass bot. Das ist wunderbarer Lohn für die Schreibarbeit.
Und ja, die Taubheit, sie ist tückisch, manchmal tückischer als der Schmerz…
Vielen Dank dir; fürs Lesen, fürs Weiterdenken und für deine Worte…
Herzliche Grüsse…
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Die Taubheit(en) ergründen zu wollen, bedeutet, den Faden eines verworrenen Schmerzknäuels bis zu seinem Anfang hin zurückzuverfolgen, Knoten zu lösen, zu entwirren, eine Ausdauer und Sorgfalt fordernde Geduldsprobe…
Darum tückisch, ja…denn ein chronischer Schmerz maskiert sich gern hinter aktuellen Befindlichkeiten und Verdrängungsmechanismen. Sie dienen ursprünglich dem Selbstschutz, doch dieser vergaß über dem langen Schmerz, wozu er gut ist und gerät außer Kontrolle…
das ist allerdings tückisch…und wie!
Danke für Deine Worte…
herzlichst, die Fee✨
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Ein feines, passendes Bild, der Knäuel, der dicke, verworrene. Und wo das Entwirren schon bei einem realen Wollknäuel mitunter kaum auszuhalten ist, ist’s im übertragenen Sinn kaum leichter…
Vielen Dank nochmals für deine Gedanken, und liebe Grüsse…
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