Der riesenhafte Jäger Orion befreite die Insel Chios von wilden Tieren. Dort verliebte er sich in Merope, die Tochter des Oinopion. Jedoch stimmte Oinopion einer Vermählung nicht zu. Wütend versuchte Orion, Merope mit Gewalt zu nehmen, was ihren Vater veranlasste, ihn betrunken zu machen und ihm die Augen auszustechen. Der erblindete Orion aber schritt gegen Sonnenaufgang, wo Eos, die Göttin der Morgenröte, Orions Sehkraft wiederherzustellen vermochte. Orion kehrte nach Chios zurück, um Rache an Oinopion zu nehmen, fand diesen aber nicht. Orion ließ sich auf der Insel Delos nieder, wo sich Eos in ihn verliebte. Die in Eifersucht entbrannte Artemis erlegte ihn jedoch mit ihren Pfeilen. Später versetzte sie Orion als Sternbild an den Himmel, wo er in alle Ewigkeit den schönen Plejaden nachstellt, die am Himmel als Siebengestirn kurz vor Orion auf- und untergehen.
Er liegt im Schnee, nach einem kalten Tag im Gebirge, er liegt da wie ein Verwundeter nach einer Schlacht, aber da ist kein Blut, nur die Kälte, die immer giftiger durch die Stoffe dringt. Das letzte Leuchten der Sonne ist längst verstummt, die Nacht ist allgegenwärtig. Kein Mond ist zu sehen, aber unzählige kleine Punkte sind über den Himmel gestreut, dieses ewige Meer aus Sternen. Ihr Licht ist schwach, doch es reicht, um die Konturen der Bäume hervortreten zu lassen; es reicht, um den mächtigen Berg als bedrohliche Wand erscheinen zu lassen; es reicht, um geheimnisvolle Schatten zu zeichnen.
Er starrt nach oben, in dieses schwarze Tuch mit den kleinen weißen Punkten, und je länger er schaut, desto zahlreicher werden sie. Er erkennt Orion. Da sind Beteigeuze und Bellatrix, die beiden Sterne der Schulter, da sind die beiden Füße, da sind die drei Könige, die den Gürtel bilden, da ist der Orionnebel. Früher, als Kind, kannte er viele Sternbilder, er konnte sie benennen und zuordnen, häufig wusste er sogar über die Geschichten und Sagen Bescheid, die über sie erzählt wurden. Doch nun, nach dem Ende der Kindheit und am Fuße des Berges, ist nur noch Orion übrig. Daneben wahrscheinlich noch der Große Wagen und der Kleine Bär mit dem Polarstern, aber vor allem Orion. Und womöglich genügt er ja, dieser gewaltige Himmelsjäger. Vielleicht reicht es, sich an ihm festhalten zu können, wenn die Zeiten entfliehen und die Bilder der Vergangenheit immer kleiner werden. Dort oben im Gebirge weiß er es nicht. Und wird es wohl auch unten in den kommenden Hügeln und Tälern niemals wissen können.

…zauberschöner Eintrag…
https://finbarsgift.wordpress.com/2015/01/03/herzschlag-des-kosmos/
Liebe Herbstsonnengrüße vom Finbar
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Vielen Dank dir, lieber Finbar. Und das zauberschöne Kompliment kann ich nur zurückgeben und tu es sehr gerne…
Herzliche Grüsse zurück…
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Orion wird neue Erinnerungen erjagen 😉
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Das wird er, ja, das tut er… Vielen lieben Dank dir fürs Lesen!
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wenn die Erinnerungen vergehen, bleibt das Wichtigste erhalten, das, was sich vordrängte und die anderen hinter sich zurückließ. Hier war es Orion und vielleicht hat der Vater dazu die Sage erzählt, wie es zu diesem Sternbild kam.
(Mein Vater wußte nicht viel von den Sternen, aber das Wenige, was er wußte, hat er mir erzählt…)
Vielleicht begleitet ihn das Licht der Sterne solange, bis er Hilfe bekommt.
Ich hoffe nicht, daß er erfriert, obwohl es sich so anhört, lieber Disputnik…
Ich suche ja immer nach guten Lösungen, die nicht weh tun *lächel*
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Er wird nicht erfrieren, aber der Zeit fällt halt einiges zum Opfer. Die Prioritäten verschieben sich, man lernt und verlernt, man entdeckt und vergisst. Halt der Lauf der Dinge im Lauf der Zeit. Das tut sehr häufig gar nicht weh. Liebe Bruni, vielen lieben Dank fürs Lesen und für deine Worte. Und es ist schön, dass dir dein Vater von den Sternen erzählt hat (und du jetzt davon erzählst). Herzliche Grüsse!
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