Normalerweise fährt er weiter. Zwar betrübt ihn der Anblick, selbst wenn er nur eine Sekunde währt, doch er hält nicht an. Das arme Tier, denkt er vielleicht, und manchmal fühlt er sich böse, obwohl nicht er es war, der das Geschöpf zu Tode fuhr. Er hat noch nie ein Lebewesen überfahren. Aber es könnte geschehen, er könnte es kaum verhindern, und mitunter reicht schon die Möglichkeit für einen Gewissensbiss aus.
Er weiß nicht, warum er den Wagen abbremst, nachdem er das Fellbündel am Straßenrand erblickt hat, er weiß nicht, warum er ausgerechnet dieses Mal anhält und aussteigt. Ein wenig unsicher geht er der Straße entlang. Er erinnert sich daran, wie man ihm als Kind erzählte, dass die Indianer sich bei jedem Tier entschuldigten, bevor sie es töteten. Er mochte diesen Umgang damals sehr, diesen Respekt vor dem Leben, obschon man es nahm.
Das Licht des Tages ist noch jung und zurückhaltend, doch es reicht, um schon aus einiger Distanz zu erkennen, dass es sich beim toten Tier am Straßenrand um einen Fuchs handelt. Als er den Körper erreicht, kniet er sich hin, blickt hinab und hinein in die geöffneten Augen mit ihrem matten Glanz. Da ist fast kein Blut auf dem Boden. Ein Auto fährt in hohem Tempo vorbei, der Fahrer hupt. Dann wird es wieder ruhig.
In seiner Kindheit warnte man ihn, dass ein zutraulicher Fuchs wahrscheinlich an Tollwut erkrankt und ein Biss gefährlich sei. In der Folge hatte er Angst vor Füchsen, er hatte Angst vor vielem. Jahre später begegnete er tatsächlich einem Fuchs, in der Nähe seines Wohnhauses, doch das Tier erschrak heftiger als er selbst und rannte einfach davon.
Erneut fährt ein Auto vorüber, erneut ein Hupen. Er richtet sich auf, bückt sich wieder und zieht den leblosen Körper des Fuchses vom Asphalt auf das kleine Rasenstück neben der Straße. Er setzt sich neben ihn hin, legt eine Hand auf das Fell. Es ist weniger weich als gedacht, weniger kalt als erwartet. Er denkt an die Indianer. Schließlich steht er auf und geht zurück zu seinem Wagen. Einen Moment lang spürt einen stechenden Schmerz am Unterarm, doch als er ihn mustert, kann er nichts erkennen.

Mir tut es leid um jedes überfahrene Tier, das ich liegen sehe und ich würde eher eine Vollbremsung machen, als eines zu überfahren und doch kann es geschehen. Das wissen wir alle.
Schön und einfühlsam ist diese Geste, daß er anhält und den Fuchs zur Seite zieht.
Warum er diesen stechenden Schmerz im Unterarm spürt, kann ich nicht erkennen, es sei denn, es ist ein seelischer Schmerz, der sich so äußert. Kann das sein?
Die Tollwut ist es bestimmt nicht *lächel*
LG in die Nacht von Bruni
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Vielleicht war’s die Erkenntnis, dass die kindliche Angst vor dem Fuchsbiss unbegründet war, die den Arm kurz schmerzen liess, wer weiss…
Vielen herzlichen Dank dir, liebe Bruni, fürs Lesen und für deine Gedanken!
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Auf dem Weg ins Büro heute früh, liebe Bruni, lieber Disputnik, da sah ich ein zauberhaftes Eichhörnchen vor mir auf der Straße, ich konnte gerade noch ausweichen…
Mein Herz krampfte trotzdem, denn ein Auto hatte es zuvor völlig platt gefahren…
Es hatte einfach keine dritte Dimension mehr…
*traurig guck*
Liebe Sommersonnengrüße an euch beide vom Lu Finbar
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Traurig und sehr schade um das Eichhörnchen und seine fehlende Dimension…
Lieben Dank dir für deine Worte und herzliche Grüsse!
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