Die kleinen Blasen auf der Wasseroberfläche verbinden sich zu fragilen Landmassen, ändern stetig ihre Formen, bilden kleine Inseln und ganze Kontinente. Wenn sie in den Schaum pustet, reißen die Gebilde auf, setzen sich neu zusammen. Und immer ist da dieser spezifische Klang, ein kaum greifbares Rauschen, ausgelöst durch die Verschiebungen und das Zerplatzen der kleinen Blasen, ein Geräusch, das man nur in einer Badewanne hören kann. Manchmal löst sich ein Tropfen vom Wasserhahn, fällt in die Wanne. Plopp. Rauschen. Plopp. Rauschen. Plopp. Das Plopp klingt ungemein dramatisch und pathetisch, ein akustisches Klischee. Und dennoch, da ist keine Regelmäßigkeit, da ist kein Rhythmus, an welchem sie sich halten könnte. Sie ist längst aus dem Takt geraten.
Nachdem sie die Tür geschlossen hatte, war sie reglos stehen geblieben. In ihrem Kopf hatten sich die Gedanken zu einem wütenden und rasenden Mob vermengt. Sie hatte ihre Hände auf die Schläfen gepresst, doch es hatte keinen Zweck. Dann hatte sie ihre Kleider abgestreift, Wasser in die Wanne laufen lassen und sich schließlich hineingelegt.
Er wird irgendwann zurückkommen. Er wird an die Tür klopfen, zuerst ganz sanft. Er wird geduldig warten, zumindest zu Beginn, wird mit ruhiger Stimme sprechen, und durch die geschlossene Tür wird die Stimme weich und freundlich klingen. Er wird noch einmal klopfen, dieses Mal ein wenig vehementer. Er wird lauter werden, das Klopfen wird schneller und heftiger werden. Irgendwann wird er schreien und poltern. Dann wird es wieder ruhig werden. Und womöglich ist diese Ruhe schrecklicher als jeder Lärm.
Der Pegel sinkt, der Stöpsel ist schon lange nicht mehr dicht, das ist nicht neu, und eigentlich wäre es so einfach gewesen, einen Ersatz anzuschaffen, doch sie hat es nicht getan. Während der Wasserstand allmählich abnimmt, fühlt sie, wie der Druck wieder steigt, das Gewicht der Welt legt sich immer mächtiger auf ihren Körper.
Das Wasser schwindet, wird unerbittlich kälter, sie beginnt zu frieren und fragt sich, wie lange sie es ertragen kann. Irgendwann wird der letzte Tropfen abgelaufen sein, irgendwann wird ihre Haut getrocknet sein, womöglich mit letzten Schaumkrusten an vereinzelten Stellen. Eigentlich möchte sie für immer verharren, möchte die Zahnräder der Zeit arretieren und einfach liegen bleiben. Doch sie weiß, dass er kommen wird, der Moment, in welchem das Zerren zu stark wird, das Zerren an den Zahnrädern, das Zerren am Türgriff, das Zerren im Kopf. Trotzdem bleibt sie in der Wanne. Trotzdem hält sie es aus, leistet Widerstand. So lange es geht.

Es ist immer wieder faszinierend, wie lebendig und fühlbar deine Texte sind. Wie schön.
LG Yuliya
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Vielen herzlichen Dank dir fürs Lesen und für deine Worte… Freut mich, dass dir die Texte gefallen… Liebe Grüsse zurück
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ein Badewannenbild, ein Versuch, sich zu entspannen, eine kurze Zeit gelingt es, doch die Gedanken sind zu stark, sie kommen zurück und sie belasten aufs Neue…
Es machte Sinn, es zu probieren, aber nachdem die Blasen zerplatzt waren, der Schaum weggeschmolzen, das Wasser nach und nach ab gelaufen, begann das Frösteln wieder…
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Ja, der Versuch, den Rückzug möglichst lange währen zu lassen, er konnte wohl nicht gelingen. Aber immerhin für kurze Zeit spielte die Zeit keine Rolle…
Herzlichen Dank fürs Lesen und für deine Worte, liebe Bruni…
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Danke auch von mir….. Es ist fantastisch wie Du schreibst….
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Vielen Dank fürs Lesen und für deine Worte… Freut mich, dass es dir gefällt…
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Na klar 🙂 War schon viel zu lange nicht mehr auf Deinem Blog 🙂
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Du schreibst, malst ein Bild. Ein Kunstwerk. Traurig und Schön.
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Danke! Fürs Schauen, fürs Lesen, für die Worte. Für die Dinge des Lebens und die Dinge der Zeit.
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Danke auch. Für unser Leben. Uns.
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