Er glaubt nicht an Gott, hat ihn nie gesehen oder gespürt, er glaubt an keine höheren Mächte oder dergleichen, doch einmal, da starb eine liebe Freundin, und es tat so weh, das war alles so sinnlos und widrig, sie fehlte an allen Enden, und am letzten Ende, am Tag, an welchem sie in der Erde verschwand, schien die Sonne, doch die Luft war eisig kalt, ganz klar, und in jenem Moment fehlte Gott oder ein Äquivalent, irgendetwas, um weniger zu taumeln und zu schlingern, am Abend zuvor hatte er ihr einen Brief geschrieben, den warf er nun in das Loch vor ihm, der Umschlag rutschte neben dem Sarg nach unten, verschwand im Nichts, und er wusste natürlich, dass sie ihn nicht mehr lesen konnte, er wusste auch, dass sie nicht wirklich in jener Kiste lag, dass sie einfach nicht mehr da war, zumindest nicht außerhalb seines Inneren, und dennoch stiegen Fragezeichen auf, die es doch eigentlich gar nicht geben durfte, weil dahinter nichts sein konnte.
Die Kinder fragen, warum es Krieg gebe, und er antwortet, obwohl er die Antwort nicht kennt, er weiß es nicht und tut nur so, und natürlich verstehen es die Kinder nicht, wie sollten sie auch, er versteht es ja ebenso wenig, einerseits, weil es wohl kein absolutes Verstehen geben kann, andererseits aber, weil er sich nicht interessiert und sich nicht bemüht, hinter die Fragen zu blicken und sich durch die Zusammenhänge zu wühlen, schon die jeweiligen Einträge bei Wikipedia sind ihm zu umfangreich, und eigentlich will er schon wissen, warum auf den Philippinen gekämpft wird und wie die Konflikte in Vorderasien entstanden und verknüpft sind, aber am Ende des Tages sind lustige Katzenvideos im Internet wohl einfach unterhaltsamer, auch die Kinder sind abgelenkt und vergessen ihre Frage, und die ausbleibenden Antworten häufen sich immer mehr im Lauf der Zeit.
Es geht ihm doch gut, besser als den meisten, und doch tauchen sie immer wieder auf, die Gedanken daran, dass es wohl immer noch besser gehen könnte, dass mehr Geld, mehr Erfüllung, mehr Leben und Ausleben, mehr Genuss, mehr heitere Tage möglich wären, und nicht nur er, sondern das ganze Umfeld stellt sich die Frage, was man tun kann, um die Situation zu optimieren, denn natürlich, man ist durchaus glücklich und zufrieden, es geht auch gar nicht um Unzufriedenheit, sondern um das Bestreben, niemals stehenzubleiben, denn Stillstand ist der Tod, und sterben muss man früh genug, und wahrscheinlich ist das alles auch wirklich schön und gut, das Überdenken und Besinnen, es bringt vielleicht sogar weiter, das Hinterfragen, sofern es die richtigen Fragen sind, hinter die man blickt.

Das Dumme ist:
Wenn es nichts, keinen Glauben an irgendeinen Gott, an sich selbst oder andere oder sonst etwas gibt, vor dem kein Verstecken möglich ist, wirft es den Menschen auf nichts als seine Existenz zurück und die bewertet sich am Leben der anderen, muss trostlos bei Verlust bleiben und scheitert irgendwann am ständigen Vergleich. Bleiben Fragen und Klagen…
Gern gelesen, hier gewesen,
viele Grüße von der Karfunkelfee
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Vielen Dank, liebe Karfunkelfee, fürs Lesen und Hiergewesensein und für deine Worte… Ich weiss nicht, ob nur Fragen und Klagen und Scheitern bleiben. Aber um Wissen geht es ja nicht… Herzliche Grüsse zurück…
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