Früher waren da immerhin die gesichtslosen Männer, die mit Wasser aus Schläuchen den kalten Boden säuberten. Heute trocknet alles ein. Alles ist klebrig, der Gestank ist längst sichtbar geworden. Jede Flüssigkeit, die aus einem Menschen austritt, wird zu übelriechendem Schmutz. Früher oder später. Am schlimmsten sind nicht Fliesen, Glas und Kunststoff. Am schlimmsten ist sie selbst. Sie hatte gehofft, dass ihr Rückzug aus den gewohnten Gefilden ihr zu neuer Sauberkeit verhelfen könnte. Nicht Reinheit, das wäre illusorisch. Aber zumindest einige gereinigte und aufgeräumte Stellen. Sie hatte sich geirrt. Die Zeit vermag vieles. Womöglich. Durch ihre Mauern scheint sie jedoch nicht dringen zu können.
Manchmal wird sie wütend. Tobt und zetert, zerrt an Ecken und Kanten, wirft mit losen Gegenständen um sich. Doch kaum etwas geschieht. Fast nichts geht zu Bruch. Hin und wieder splittert ein wenig Porzellan ab, dann trägt eine Fensterscheibe einige Risse davon. Mehr nicht. Noch robuster als der Rest sind die Spiegel. Jeden Tag schlägt sie mit Hämmern und Äxten auf alle reflektierenden Flächen, bis ihre Arme vor Schmerz vibrieren. Ohne jegliche Wirkung. Die Spiegel geben nicht nach. Die Spiegel geben ihr den Rest. Und es werden immer mehr.
All die Dinge und Undinge der Zeit, ihrer Zeit, sie wollte sie nicht sehen, nie mehr. Doch bei jedem Blick in einen Spiegel sind sie da. Bei jeder Berührung, ob bewusst oder zufällig, sind sie zu spüren, irgendwo hinter den Knochen. Der Gestank hockt in ihren Kleidern und dringt in ihre nackte Haut. Manchmal wünscht sie sich zurück, hinaus in die Welt, wieder hin zu den Widrigkeiten, vor denen sie floh. Sicherheit mag von beträchtlichem Wert sein, doch in der Isolation rostet und zerfällt sie, wie alles andere auch, wie sie selbst. Früher waren da immerhin die gesichtslosen Männer, die mit Wasser aus Schläuchen den kalten Boden säuberten. Heute trocknet alles ein. Auch ihre Augen.

Tja, auch so ist das Leben…
manchmal hart, manchmal weich,
manchmal aber auch trocken…
…nur deine Worte sind es nie,
die sind immer vollmundig
genial, lieber Disputnik.
Have a good day,
lots of greetings
from Finbar
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Ach Finbar, vielen lieben Dank für deine Worte und Sätze… Wünsche dir ein wunderbar schönes Wochenende! Liebe Grüsse…
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Genial.
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Lieben Dank!
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Sorgfältige Beschreibung eines in sich selbst zutiefst gefangenen Menschen. Es bleibt offen, was ihn so sehr verstörte, dass die Außenwelt zum Feind wurde und die Erinnerung zur Gefängniswärterin.
Das Körperbewusstsein verloren, zu sich selbst und dem Draußen den Bezug verloren.
Wieder einmal gern gelesen und hiergewesen,
viele Grüße
von der Karfunkelfee
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Vielen lieben Dank fürs Hiergewesensein und Gelesenhaben, liebe Karfunkelfee, und auch für dein Hineindenken…
Herzliche Grüsse zurück..
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Der Text und die Thematik arbeiteten nach und dann las ich vom Faktoid auch noch einen beeindruckenden Text (schwärze…) und dann ist, wie es manchmal geschieht, etwas Eigenes entstanden. Ich würde gern einen Link zu Deinem tollintensiven Text setzen, darf ich…?
Liebe Grüße
von der Karfunkelfee
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Sehr gerne, ich würde mich freuen… Und danke herzlich für die Ehre und für deinen Text…
Liebe Grüsse und schönes Wochenende…
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Die Ehre ist ganz meinerseits…
Ich wünsch ebenfalls ein schönes Wochenende, hoffentlich noch mit ein wenig Spätsommersonne…😊
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es wäre interessant, mal zu lesen, wie die Blümchen und Bäumchen, die Vögelchen und Zweigelein bei Dir klingen würden, lieber Disputnik, höchst interessant wüßte es sein *lächel*
Dein aktueller Text ist so beklemmend, so intensiv geschrieben, eigenlich wie immer und doch so anders, daß ich sie vor mir sehe, ihre innere Zerrissenheit spüre, sie trotz Gestank und Umsichschlagen in die Arme nehmen möchte, um
sie herauszutragen aus einer Umgebung, wie sie nicht menschenunwürdiger sein kann, die ihr immer mehr ihrer Würde nehmen wird, wenn da überhaupt noch ein Fitzelchen übrig ist in ihr…
Du weckst beim Lesen Gefühle, die schwer zu ertragen sind, die zeigen, was sein kann, auch wenn wir es GottseiDank nicht kennen.
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Vielleicht versuche ich mich mal dran, an den Vögelchen und Blümchen. Und vielleicht kann ich sogar der Versuchung widerstehen, sie in den letzen Sätzen jäh aus der zuvor aufgebauten Harmonie zu reissen. Mal sehen…
Ja, man würde sie wohl gerne heraustragen, doch man kann nicht, man kann sie nicht aus ihr selbst heraustragen, die Mauern sind zu dick und dicht.(Innere Zerrissenheit, ja, ein passender Ausdruck, aber die Vorstellung, so ganz plastisch, sie ist furchtbar…)
Vielen Dank, liebe Bruni, fürs Lesen und Ertragen und überhaupt…
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Die Randgestalten, die aus der Üblichkeit fallenden, die am Leben Verzweifelnden, dieses Leben nicht mehr Ertragenden sind es, denen Du Deine Geschichten widmest und sie sind allesamt gut. Sie treffen jedesmal den Kern, den Punkt, der berührt werden muß, um zu erkennen.
Hast Du für Deine Kids schon mal Geschichten geschrieben? Wohltuende, die sie sich von ihrem Papa wünschen würden?
Eine solche würde ich gerne mal lesen, denn auch die müssen in Dir schlummern. Ich kann es mir gar nicht anders vorstellen…Es wären nicht die üblichen, aber vielleicht die besonderen? Die, die es kaum mal gibt, die man mit der Lupe suchen muß…
Liebe Grüße von Bruni
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Die Kindergeschichten, es gibt sie natürlich, wenn auch die meisten davon nicht aufgeschrieben sind, sondern nur im Moment entstehen, bestehen…
Aber vielleicht mach ich ja mal ein Kindergeschichtenblog…
Liebe Grüsse dir…
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Ich empfinde in gewisser Weise ähnlich. Ein Bild von Isolationshaft, schlimmer noch von Dunkelhaft, kam mir in den Sinn und wie ein Mensch das überleben kann. – Ich las gerade vor einiger Zeit, wie ein Kind in Afrika nach dieser schrecklichen Beschneidung 2 Wochen allein in einem Zelt verbringt, mit Schmerzen, mit Fieber, mit Angst. All das kam mir in den Sinn beim Lesen.
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An afrikanische Kinder dachte ich nicht unbedingt, aber ja, diese Umstände, die Isolation, das ist wohl universell, leider, wenn auch selten so schrecklich wie bei jenem von dir erwähnten Kind… Vielen Dank dir fürs Lesen und fürs Zulassen der Gedanken…
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Manchmal traue ich mich nicht gleich, dem Lesebefehlsknecht zu folgen, so sehr fürchte ich die Wucht Ihrer Worte. Und weiß doch, ich will es lesen. Und manchmal traue ich mich nicht, meinem inneren Kommentierknecht Folge zu leisten, so überflüssig ist jedwedes Wort dazu. Und muß Ihnen doch schreiben, wie unglaublich Ihre Sprachgewalt ist. Immer wieder Gänsehaut.
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Oh nein, zum Fürchten soll hier gar nichts sein, ebenso wohnt Ihren Worten Überflüssigkeit inne. Umso frohdankbarer bin ich darüber, dass sie sich getraut haben. Danke!
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‚Fürchten‘ war eine unglückliche Wortwahl, lieber Disputnik. Ich wöllte, ich könnte die Beklemmung besser in Worte fassen, die einen beim Lesen anspringt. Man sieht, was Sie schreiben und das auch in der Düsternis. So bei Bienchenblümchenbäumchenschreiberey, da ist einfach, für den Leser ein Bild zu malen. Bei dunklen Texten finde ich das unfassbar schwer. Sie schaffen das. Immer.
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Das ist wunderfreundlich, das Kompliment. Jedoch gebe ich (nicht einmal ungern) zu, dass ich bei Bienchen und Blümchen (die mich diesbezüglich gar nicht so einfach dünken) wohl auf ganzer Linie versagen würde; da würde es kein Bild geben, kein Garnichts. Darum bleibt es hier wohl eher beklemmend als befreiend, irgendwie. In jedem Fall herzlichen Dank Ihnen…
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