Er wird eigentlich nicht wütend auf andere Menschen. Andere Menschen sind eben anders, sind anders als er selbst, darum heißen sie andere Menschen. Wären alle Menschen gleich, wären ihm alle Menschen gleich, wären ihm einerlei und egal. Und das wäre bedauerlich. Leben und leben lassen, jeder nach seiner Fasson, Tierchen, Pläsierchen, man kennt das ja, und so sollte es doch auch sein. Das ist doch Toleranz. Das ist doch Akzeptanz. Das ist doch Respekt. Und das sind doch Dinge, die man auch in Bezug auf die eigene Person gewaltet haben will. Oder? Andere Menschen anders sein lassen, das ist wichtig, nicht wahr? Und das bedeutet dann eigentlich auch, nicht wütend zu werden, wenn dieses Anderssein sich hochgradig bemerkbar macht und wie ein grober Klotz in den Zwischenmenschenräumen steht. Oder?
Und dann kommt eine Person. Und sagt etwas. Und noch etwas. Und noch etwas. Und alles davon ist so anders als man selbst, alles ist so gegen die eigenen Ansichten und Überzeugungen. Er sagt sich, naja, das muss man eben tolerieren, das muss man akzeptieren, das muss man respektieren. Doch jener Person, so scheint es, geht es nicht um differenzierende Meinungen. Es geht nur darum, dagegen zu sein. Es geht um das Kontra.
Er hört zu und erwidert, versucht sich und die eigene Perspektive zu erklären, legt sich Argumente zurecht und lässt sie in das Gespräch einfließen, doch immer mehr muss er die Sinnlosigkeit seines Disputierens einsehen. Das ist kommunikative Sisyphusarbeit, das ist Dissonanz statt Diskussion, das ist eine dumme Mauer. Und irgendwann wird das Kollidieren zu aufreibend. Und er wird doch noch wütend. Vornehmlich im Innern. Er baut imaginäre Gipswände auf, um mit seinen Fäusten möglichst effektvoll und zugleich schmerzlos zuschlagen zu können. Er zertrümmert Geschirr, wirft mit Gläsern und Messern, er schießt mit Kanonen und Spatzen und brennenden Dungklumpen, er brüllt und zetert. Und eigentlich würde er gerne die Grenzen des Theoretischen sprengen. Messer und Kanonen müssten nicht sein, brennende Dungklumpen wären aber angemessen. Doch die Dungklumpen, sie brennen und fliegen nicht. Und seine Fäuste, sie bleiben in den Taschen. Er wendet sich einfach ab.
Andere Menschen anders sein lassen, das ist wichtig, findet er. Leben und leben lassen, jeder nach seiner Fasson, Tierchen, Pläsierchen, man kennt das ja, und so sollte es doch auch sein. Doch manchmal ist der Klotz in den Zwischenmenschenräumen einfach zu groß. Vielleicht sollte man es dann einfach lassen. Oder schon mal anfangen, den Dung zu Klumpen zu formen.

Ich verstehe diesen Text nicht. Was ist die Aussage: Halt die Klappe, wenn dich jemand nervt und tu so, als wärest du tolerant? Oder ist die Aussage: Du bist zwar der Schlaue, aber der andere begreift es eh nicht, also spar dir die Diskussion? Oder ist es: Sei nicht tolerant? Oder noch was anderes?
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Wahrscheinlich was anderes, und wenn du dem Text nichts abgewinnen kannst, dann hat er für dich keine Aussage, und das ist auch okay… Trotzdem und überhaupt vielen Dank fürs Lesen und für deine Gedanken…
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So war es nicht gemeint, dass ich dem Text nichts abgewinnen könnte, im Gegenteil. Ich verstehe ihn nur leider nicht, würde ich aber gern. Weil ich denke, dass (vermeintliche) Toleranz ein sehr wichtiges Thema ist. Falls Du nicht antworten möchtest, vielleicht mag ja jemand anders? Das wäre sehr nett. Einen schönen Tag Dir. Liebe Grüße
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Es gibt selten eine absolute und allgemein gültige Bedeutung der Texte hier, da soll immer irgendwie ein Interpretationsspielplatz sein, um sich auszutoben… Aus meiner Sicht geht’s hier nicht ausschliesslich um Toleranz, aber im Bezug auf Toleranz vornehmlich darum, sie (die Toleranz) manchmal so weit zu treiben, dass sie der eigenen Gefühlswelt empfindlich im Weg steht. Und wohl auch darum, dass Toleranz frustrierend sein kann, wenn sie nicht erwidert wird… Spielen aber noch andere Themen rein. Aber eben, das ist keine Erklärung des Textes, die kann und will ich nicht geben. Umso mehr freut es mich, dass der Text dich beschäftigt; das ist etwas vom Besten, was ihm passieren kann… Dir ebenfalls einen schönen Tag und liebe Grüsse zurück…
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Ja, das stimmt, mit der „nicht absoluten und allgemeingültigen Bedeutung“ – ich schreibe ja selbst Prosa und Lyrik wie Du weißt. Ich weiß also um diesen Umstand. Dennoch war mir die Hauptaussage dieses Textes nicht klar. Jetzt, nach Deiner Antwort verstehe ich auch warum. Weil ich mit Toleranz etwas anderes verbinde und das ist der Grund, warum ich diesen Text nicht verstanden hatte. Für mich bedeutet Toleranz eben nicht, dass mein Gegenüber ebenso tolerant sein muss, damit ich tolerant sein kann (um es mal drastisch zu formulieren), sondern eben, dass Toleranz etwas vom anderen Unabhängiges ist. Und das war der Grund auch, warum ich oben meine entsprechende Deutung hatte. Denn ich denke, wenn ich sage: Sei tolerant, sonst bin ich intolerant – das ist für mich keine Toleranz, sondern das Gegenteil. Das ist ja das Spannende – herauszufinden, wie unterschiedlich Mensch Begriffe besetzt und deutet. Manchmal denke ich, dass es ein Wunder ist, wenn Mensch mit Mensch kommunzieren kann, weißt Du, wie ich es meine? 🙂
Vielen Dank für Deine ausführliche Antwort und ich lese bei Dir sehr, sehr gern. Herzliche Grüße und einen schönen Tag.
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So komplett unterschiedlich sind unsere Definitionen von Toleranz dann wohl doch nicht… Aber ja, Deutungen gibt es viele. Und dass Menschen miteinander kommunizieren können, ist vielleicht kein Wunder, aber auch keine Selbstverständlichkeit, ein Bemühen und Wollen muss halt da sein…
Vielen Dank nochmals für dein Lesen und deine Gedanken. Dir ebenfalls einen schönen Tag…
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Für Dich ist es kein Wunder, mir scheint es manchmal doch als solches. Wenn man bedenkt, wie wenige Menschen tatsächlich nachfragen zum Beispiel, lieber urteilen, drauf hauen oder etwas verstehen, was man gar nicht gesagt oder gemeint hat. Und wenn dann doch dieses Gefühl da ist, dass man einander versteht, manchmal sogar ohne viele Erklärungen, das ist dann wirklich ein Geschenk und für mich auch irgendwie ein Wunder.
Und ein Wunder ist für mich auch, dass Du schreibst, unser Verständnis von Toleranz sei ähnlich – das irritiert mich, weil ich Deinen Text als das Gegenteil meiner „Wahrheit“ empfunden habe, – aber Autor und Geschriebenes sind ja nicht eins.
Liebe Grüße von der Beobachterin, die übrigens findet, dass gar nichts im Leben eine Selbstverständlichkeit ist, gar nichts.
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Ach! Dieses Gefühl kenne ich auch, das Wüten und Werfen und Schmeißen und Um-mich-Schlagen, und ich bin ganz froh, dass ich es meistens in mir lassen kann. Und manchmal, in ganz seltenen produktiven Augenblicken, literarisch umsetzen (aber das ist selten; mit kühlem Kopf kann ich besser formulieren). Und dann wende ich mich ab, genau wie er, bevor ich jemandem einen brennenden Dungklumpen an den Kopf werfe.
Und manchmal frage ich mich hinterher, ob ich nicht doch hätte werfen sollen, ob das eine Schlacht gewesen wäre, die zu kämpfen es wert gewesen wäre…
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Ja, beim Abwenden taucht wohl manchmal die Frage auf, ob man nicht plötzlich in die falsche Richtung blickt… Ja, manchmal hätte es sich vielleicht gelohnt, wäre es wert gewesen…
Vielen lieben Dank für dein Lesen und für deine Gedanken und Worte…
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Das ist genau dieses kochendheiße Gefühl, kurz vorm Platzen zu sein und das Ausmaß der Schweinerei, wenn dies geschieht, nicht genau abschätzen zu können. Also lieber nicht platzen und schwer ,wie mit Dungklumpen abgefüllt, irgendwie zu versuchen klarzukommen. Doch der so übervolle Zorn zündet sich irgendwann an, garantiert, um Masse zu reduzieren und verrauchen zu können. Im schlimmsten Fall verbrennt sich noch jemand die Finger, der gar nix dafür kann, im günstigeren Fall gelingt es irgendwie, die Wut zu kanalisieren und dem andern zuzuleiten. Vielleicht in kleinen brennenden Dungklumpen…
vielleicht geht dem andern ein Fünkchen Licht auf…?
Machte Spaß, Dein wutschnaubender Text.
Friedensgrüße
von der Karfunkelfee
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Ja ja ja, deine Worte treffen’s gut, das Gefühl, und genau, auch das Nichtabschätzenkönnen der Schweinerei und der Versuch, irgendwie klarzukommen. Vielleicht geht’s manchmal auch ohne Feuer und Dung, und sind Feuer und Dung ein anderes Mal bitter nötig…
Vielen Dank dir fürs Lesen und Mitschnauben und für deine Worte…
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Und ein mancher Versinkt in der Toleranz und Schubladenlosikeit. Und ein weiterer schafft die Grätsche zwischen dem Ich und dem Annehmen des anderen. Ein Umgang ist wohl immer im Einzellfall betrachtbar.
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Ja, eine Allgemeingültigkeit kann’s wohl auch diesbezüglich kaum geben. Manchmal ist zu viel Toleranz, häufig zu wenig, und manchmal passt’s. Schönen Dank fürs Lesen und für deine Gedanken…
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Musste ich spontan an Polt denken:
Freundlichster Gruss
Ihr Herr Hund
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Danke für den Polt!
Und freundlichste Grüsse zurück.
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Wie wahr !
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Lieben Dank dafür und fürs Lesen.
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