Sie sitzen nebeneinander, wie ein altes Paar, das sich im Fließen der Zeit die Liebe bewahrt hat, und vielleicht sind sie das, sind sich in Vertrauen verbunden. Es ist, wie es immer war, sie redet und er hört zu, er legt hin und wieder den Kopf schräg, doch er sagt nichts. Kein Werten, kein Bewerten, kein inszeniertes Mitleid, keine aufmunternden Worte, nur sein Dasein und manchmal ein Bellen. Er weiß mehr über sie als jeder Mensch. Und sein Wissen ist das einzige, das ihr keine Angst macht.
Die große Narbe in seinem Gesicht erzählt von der Begegnung mit einem Rottweiler, er wollte doch nur spielen, damals vor bald dreißig Jahren. Manchmal reißen die Leute bestürzt ihre Augen auf, wenn er ihre Frage nach der Entstehung der Narbe beantwortet, doch sie fragen immer seltener. Wenn sie fragen, dann meistens, nachdem sie wissen wollten, was er beruflich macht. Das ist offensichtlich interessanter. Vielleicht rührt ihre Bestürzung auch daher. Nicht einmal seine Mutter versteht, weshalb er im Hundeheim arbeitet. Hunde seien ihm lieber als Menschen, pflegt er zu sagen. Die Leute mögen dann nicht mehr weiter nachfragen.
Er soll gehorchen. Er soll gefälligst gehorchen. Er soll Platz machen, er soll sitzen, er soll ruhig sein, er soll warten, er soll jagen, er soll bei Fuß bleiben, und wenn er nicht tut, was er soll, bekommt er, was man verdient, wenn man nicht gehorcht. Er wird ihm schon beibringen, wie das so läuft im Leben. Denn er weiß, wie das so läuft im Leben. Man bekommt, was man verdient. Und er verdient einen Hund, der ihm gehorcht.
Sie war schon immer klein und eher unscheinbar, doch als man ihr nach längerer Zeit wieder begegnet, zufällig auf dem Gehsteig, ist sie kaum mehr zu sehen. Ihr Gesicht ist bleich und fahl, die leeren Augen liegen in dunklen Höhlen, das Haar ist zerzaust, die Kleidung ungeordnet, der Körper schmal und schmächtiger als zuvor. Man grüßt sich, man fragt sie, wie es ihr geht, und sie antwortet nicht, sondern sagt nur, dass ihr Hündchen gestorben sei, vor einigen Monaten. Erst da bemerkt man, dass er fehlt, der kleine Schottische Terrier, der immer da war, an ihrer Seite. Jetzt ist nur noch sie da. Oder das, was von ihr übrig geblieben ist.

mehr Hund als Mensch, geht mir im Kopf herum, lieber Disputnik. Werden Hunde denn sooo alt, 30 Jahre und mehr oder ist es doch ein Mensch oder lese ich falsch?
Wäre ER ein Gefährte für die, die nun einsam und alleine ist, kaum noch zu sehen?
Es würde mir gefallen *lächel*
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Der Hund wurde nicht so alt, doch der damals vom Hund gebissene Mensch schon. Vielleicht schrieb ich zu missverständlich…
Ein Gefährte für die Einsame, ja, das wäre schön… Doch ich glaube, sie würde ihn nicht annehmen, selbst wenn er wollte. Vielleicht irgendwann ein neuer Hund, wer weiss…
Vielen Dank dir fürs Lesen und für deine Gedanken, liebe Bruni…
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*lächel*, ahaaaaaaaaaaa, eigentlich sagst Du das, was ich in etwa dachte, aber ich war ein wenig unsicher…
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Natürlich will ich der Erste sein, der diesen kleinen Text lobt. Hiermit geschehen.
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Nicht ganz ungefährlich, erst zu loben, dann zu lesen. Die Reihenfolge müsste ansonsten andersherum sein. Jetzt ist es gelesen, Ahnung bestätigt, Lob gerechtfertigt.
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Da bin ich froh, dass die Ahnung bestätigt wurde! Fürs Lesen und Loben ein grosses Dankeschön…
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So groß war das Risiko nicht. Sie sind eine verlässliche Größe. Und Hunde-Themen gehen bei mir immer.
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Dann vielen lieben Dank für das Vertrauen; ich werde versuchen, Sie auch abseits von Hunde-Themen nicht zu enttäuschen…
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