Sie ist tausend Jahre alt. Das Wasser schleift die Steine, trägt die Felsen ab, tiefe Furchen ziehen sich durch das Terrain, alles erodiert. Das Knacken im Gebälk, das Knirschen der Gelenke, und sie merkt, wie sie immer kleiner wird, gebückter geht. Das Blut droht zu gerinnen, kriecht zäh wie Honig durch die schmalen Kanäle. Sie ist tausend Jahre alt. Alles erodiert.
Als sie zu Bett ging, war sie nicht alleine, sie war glücklich. Da waren die kleinen Stromschläge der Nähe, der Schweiß auf der Haut, der schnelle Atem. Sie spürte ihn in sich, selbst dann, wenn er nicht mehr in ihr war. Es war ein Liebesakt, ein Akt der Liebe, da war keine Zeit, sie hatte kein Alter, und sie blieben die ganze Nacht wach, jede Nacht, tausend Nächte und tausend Tage lang. Dann kam der Morgen, dann kam das Grauen, einfach so, ohne Grund, das Morgengrauen kommt wohl immer ohne Grund, und sie ging und er ging und sie beide gingen und niemand blieb da.
Seither tut die Zeit wieder weh. Jedes Blinzeln schmerzt, jeder Schritt, jeder Biss auf die Unterlippe, jedes Zucken des Sekundenzeigers, und die Luft liegt schmutzig und schwer auf ihrer Haut. Sie kann tausend Stunden unter der Dusche stehen, doch die Krusten bleiben, tiefe Furchen ziehen sich durch das Terrain. Sie ist tausend Jahre alt. Alles erodiert.

Dieser Text ist so atmosphärisch und bewegend.
Ich muss ihn einfach immer wieder lesen.
Ich bin beeindruckt.
LikeLike
Vielen lieben Dank dir, fürs Immerwiederlesen und für deine Worte…
LikeLike
Großartig bewegend beschreibst du das. Ich kann es genauso nachempfinden.
LikeLike
Vielen lieben Dank, fürs Lesen und für deine Worte, fürs Bewegenlassen und fürs Nachempfinden…
LikeLike
Schön schwofen
LikeLike
Schwofen? Schön.
LikeLike
Puh.
LikeLike
Oha.
LikeLike
Was für eine bildgewaltige Beschreibung dieses Gefühls!
LikeLike
Und was für ein wunderbarer Kommentar… Vielen Dank!
LikeLike