Man verliert sich aus den Augen, aus den Augen aus dem Sinn, die Entfernung zwischen dem besinnungslos Bedingungslosen und dem sinnlosen Ding wird oftmals in Jahren gemessen, mitunter in Monaten, Wochen, Tagen, und die Jahre und Tage versickern im Boden wie Tränen im Sand, und wenn sich die Zeit zwischen Menschen drängt, liegt selbst das nächste Dorf weiter weg als die Wüste, ferner als das Weltall im Allerweltsfernsehen. Man fragt sich, welche Tränen denn bitterer schmecken; jene, die man in der Sahara vergießt, allein in der Einsamkeit, während man an anderen Orten fehlt, sich nach geselliger Innigkeit sehnt, oder jene, die langsam über die Wangen schleichen, wenn die Gedanken in der Zeit zurückreisen, wenn Jahre, Monate, Wochen und Tage ausgeklammert sind. Man fragt sich, was schwerer wiegt; die Sehnsucht nach den Momenten, die fehlen, die immer gefehlt haben, oder die Wehmut ob den Dingen, die der zitternde Sekundenzeiger stetig tiefer vergräbt. Man fragt sich vielleicht auch die Fragen der Liebe. Wer die Liebe nicht kennt, sich nie in ihr fand und verlor, der vermisst vielleicht eine Idee davon, einen theoretischen Entwurf, eine laienhafte Skizze. Wer hingegen die Liebe fand und die Liebe verlor, der spürt jeden Nadelstich, schmeckt die Tinte im Innern, und der Schmerz lässt zwar nach, aber er bleibt doch bekannt, die tätowierten Bilder hängen stumm in den Räumen. Man fragt sich und fragt sich, doch die Antwort ist klar, ein gelebtes Leben ist weitaus dichter und voller als eine ungelebte Existenz, ein prall gefüllter Rucksack ist wertvoller als ein leeres Täschlein von Louis Vuitton, und eine Träne, die aus den Augen in den Sand der Sahara fällt, erscheint hoffnungslos sinnlos, als Bewässerungstechnik wie als Lebensentwurf. Alles ist Brachland, Ödnis, eine schweigende Wüste, wenn der Leere kein Inhalt vorausging. Wenn jedoch das Fehlen auf Erinnerungen beruht, sind da dennoch die Tränen, doch die Landschaft, sie ist reich bewaldet und üppig bewachsen, ein fruchtbarer Boden, eine lebendige Welt, weit weg von der Sahara.

„… die taetowierten Bilder haengen schwer in den Raeumen…“
Damit ist alles gesagt. Bilderwucht. Like.
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Lieben Dank dir fürs Lesen und für deine Worte!
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jede Träne, egal aus welchem Schmerz heraus vergossen, ist bitter und noch bitterer sie die, die nicht fliessen können, die Dein Inneres vergiften und zu Stein werden lassen. Tränen sind ein Ausdruck unserer Seele, schmerzvoll so oft und himmlisch befreiend, wenn die Seele jubelt.
Ein feiner Artikel, lieber Disputnik
und liebe Grüße von mir
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Wie schön geschrieben und beschrieben von dir, liebe Bruni… Vielen Dank dafür, und dir einen wundervollen Start ins neue Jahr…
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