Ein seltsames Knirschen, ein Knacken, dann der ruckartige Stopp, das kurzzeitige Flackern der Neonbeleuchtung. Und schließlich Stille. Der Aufzug steckt zwischen den Stockwerken, im architektonischen Niemandsland. Ein Kasten aus Kunststoff und Metall, verharrend zwischen den einzelnen Fragmenten der Zeit, einer Zeit, die ausgesperrt bleibt, wie alles andere. Er überlegt kurz, ob er sich unwohl fühlt, ob sich ein wenig Klaustrophobie ausbreitet, deren Existenz er bisher nicht registriert hatte, doch da ist nichts. Im Gegenteil. Ein Fötus im Mutterbauch.
Er betrachtet die kleine Metalltafel an der Wand. Sechs Personen. Vierhundertachtzig Kilogramm. Er ist froh, dass die übrigen fünf erlaubten Personen nicht anwesend sind. Alle sind draußen, die fünf Personen, die sieben Milliarden Menschen, und mit ihnen der Lärm, den sie machen, der Staub, den sie aufwirbeln, die Luft, die sie atmen. Es ist still, er ist abgeschirmt von jedem Geräusch. Vielleicht müsste er sich Gedanken machen, ob jemand im Gebäude bemerkt, dass der Aufzug feststeckt. Womöglich müsste er sich den Kopf darüber zerbrechen, wie lange der Sauerstoff ausreicht und ob man die Decke des Aufzugs anheben und in den Schacht hinaufsteigen kann, wie sie es in den Filmen jeweils machen, doch er tut es nicht, es ist ihm egal und der Kopf bleibt ganz. Noch hat er nicht einmal versucht, einen Knopf zu drücken.
Seine Finger gleiten über die grobe Struktur der Wände, über die glatten Flächen aus Chromstahl. Er sieht alles, was da ist, kann alles berühren, da ist keine Ungewissheit, da sind keine Verstecke, keine Ausflüchte. Die Last, welche die Zeiger der Uhren und die Kalenderblätter zu tragen haben, sie spielt keine Rolle. Das Gewicht, das die Wörter und Sätze jeweils mit sich an sein Ohr tragen, es ist nicht von Belang. Die Schwerkraft, die alle Gedanken zu Boden drückt, sie wirkt nicht. Er steht auf dem banal gemusterten Teppich. Und er schwebt zwischen den Wänden, zwischen den Stockwerken, zwischen der Zeit.
Er weiß, mit der Zeit würde die Unsicherheit kommen. Mit der Zeit würde das Vermissen beginnen, das Sehnen. Mit der Zeit würden die Fragen wieder Gestalt annehmen, würden die Begehrlichkeiten wieder auftauchen. Mit der Zeit würde die Leichtigkeit sich zur Schwermut formen. Mit der Zeit würde sich die Stille der Leere in die Leere der Stille verwandeln. Mit der Zeit würde die Zeit wieder wichtig werden, doch im Moment ist sie nicht da.
Irgendwann knirscht und knackt es wieder, und der Aufzug setzt sich ruckartig in Bewegung. Er hat noch immer keinen Knopf gedrückt. Es war wohl einer der fünf Personen, einer der sieben Milliarden Menschen. Es war ein bisschen zu früh, zu früh für die Zeit und ihr Gewicht.
