Es war im November, da las sie November von Gustave Flaubert. Jemand hatte das Buch auf einer Parkbank liegen gelassen, und bestimmt war es ein Zufall, dass sie es gefunden hatte. Es war eine relativ kurze Erzählung, und dennoch kam sie nicht weit, nur bis zu einem Satz, und nachdem sie ihn gelesen hatte, ließ sie das Buch sinken. Es gibt Tage, wo man so traurig ist, dass man sich noch trauriger machen möchte. Über Flaubert wusste sie nichts. Aber offenbar wusste Flaubert etwas über sie. Über sie und den Lauf ihres Lebens.
Im Lauf ihres Lebens hatte sie mit siebundzwanzig Männern geschlafen. Einige waren nett, einige waren Arschlöcher, zwei waren wunderschön. Sie alle waren in sie eingedrungen, aber keiner war zu ihr vorgedrungen. In ihrer Welt waren viele Menschen, die sich Freunde nannten, und einige waren es auch, sie wären mitten in der Nacht aufgestanden und zu ihr gefahren, wenn sie angerufen hätte, doch im Lauf ihres Lebens ließ sie das Telefon jedes Mal unangetastet, wenn sie jemanden gebraucht hätte, denn sie wollte niemanden brauchen müssen. Lieber trank sie, oder weinte, meistens trank und weinte sie, und manchmal hatte sie gar keinen Durst.
Im Lauf ihres Lebens hatte sie manchmal leichte Kopfschmerzen gehabt und einmal einen Finger gebrochen, doch abgesehen davon war sie vollkommen gesund. Sie hatte einen erträglichen Job mit guter Bezahlung, sie hatte jenes Maß an sozialer Sicherheit, das entsprechende Sorgen nicht aufkommen ließ, sie hatte liebende Eltern und eine hübsche Wohnung und ein eigenes Auto und keinerlei Schulden. Im Lauf ihres Lebens bekam sie überdurchschnittlich oft zu hören, dass sie gut aussehe, dass sie schön sei, attraktiv, sexy, anziehend. Sie hatte all das, was andere antworteten, wenn sie gefragt wurden, wie sie Glück definierten. Doch wenn sie gefragt wurde, zuckte sie nur mit den Schultern und schwieg.
Es war im November, da schrie sie in sich hinein und wurde vom Widerhall taub. Das Wetter war wundervoll, keine Spur von Nebel oder Regen oder jener Tristesse, für die der Monat berüchtigt war. Sie saß auf einer Parkbank und las jenen Satz von Flaubert und ließ das Buch sinken. Sie kannte diese Tage. Und sie hatte den Weg, den der Satz skizzierte, immer wieder beschritten, war ihm immer weiter gefolgt. Weiter, noch weiter. Bis es nicht mehr weiter ging. Schließlich legte sie das Buch auf die Parkbank, stand auf und lief los. Es war der Lauf ihres Lebens, und dennoch kam sie nicht weit.

Siebenundzwanzig Männer, mein Gott ist das bitter; es war doch noch niemals die Quantität entscheidend, beim Sport vielleicht, okay, aber in Sachen Liebe? Niemals…
Bist du mit 27 schon eine halbe Pornoqueen? Nicht einmal die zwei siebenundzwanzigstel waren bis zu ihrem Herzen vorgedrungen — november rain, and a lot of pain, this I can understand, but WHY?, this I can not understand…
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Die 27 waren wohl nicht in Sachen Liebe, darum ist es wohl, ja, bitter, irgendwie. Und ob 7 oder 70, ganz egal, wie gross das Gedränge im Vorzimmer gewesen war, es reichte nicht, um den Leerraum zu füllen… Vielen Dank für deine Worte…
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Sehr fein.
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Danke schön!
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Großartig. Danke schön
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Bitte schön. Und danke sehr!
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