Alle reden von Freiheit, doch sie weiß nicht, was Freiheit bedeutet. Selbst die weitesten Felder sind ihr ein Gefängnis, jeder Raum ist ein Kerker, auch die größten Fenster tragen Gitter vor dem Glas. Sie will ihre Fesseln sprengen, doch die Handgelenke sind so kahl wie am ersten Tag, da sind keine Ketten, keine Seile. Der einzige Knoten, er ist in ihr drin, ein wirres Geflecht aus einzelnen Fäden, ineinander verwickelt, kompakt und konfus. Manchmal stellt sie sich vor den Spiegel und fragt sich, warum ihr Körper so groß ist. Sie braucht all den Platz gar nicht, sie ist nur ganz klein und verliert sich im Innern, in ihrem Gefängnis, und ausbrechen kann sie nicht, sie weiß keinen Ausweg, jede Tür ist verschlossen. Immer wieder weint sie, damit ihre Tränen in einem Fluss kulminieren, der sie fortträgt von hier, hinaus aufs Meer. Doch so weit kommt sie nicht, sie gelangt nur bis zur Abwasserreinigungsanlage, und dort wieder ein Gitter, das alle Fremdkörper aussiebt, also auch sie. Und dann badet sie im gesammelten Unrat der Welt und in ihrer eigenen Scheiße. Irgendwann schläft sie ein und irgendwann wacht sie auf und irgendwie trägt jeder Tag das gleiche Kleid, die gleichen Mauern, an die sie ihren Kopf zu schleudern pflegt, als wäre er eine Abrissbirne. Manchmal bröckelt der Stein, einige Kanten zersplittern ein wenig, doch die Mauern, sie bleiben, sie bleiben hart und zäh. Nur im Kopf und im Herzen häufen sich Trümmer, und der Raum, er wird enger, der Kerker verdichtet sich immer mehr. Alle reden von Freiheit, doch sie weiß nicht, was Freiheit bedeutet, und irgendwann hört sie nicht mehr zu, nur noch auf.

wie kann sie sie auch fühlen, wenn sie nicht in ihr selbst liegt?
Keiner kann wirkliche Freiheit erreichen,
wenn er sich nicht in sich selbst gleichzeitig geborgen
und deshalb F R E I fühlt…
Es hört sich seltsam an, wenn ich es so geschrieben vor mir sehe,
aber so denke ich darüber.
Du beschreibst hier sehr gut einen in sich gefangenen Menschen, der sich gefesselt fühlt und doch nirgendwo äußerlich
sichtbare Fesseln erkennt. Also denkst Du hier wohl ähnlich wie ich *lächel*
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Vielen Dank für deine Worte, liebe Bruni… Ja, die Freiheit beginnt wohl im Innern, im Kopf, im Herzen, und die Fesseln, die wir manchmal unter der Haut tragen, können uns an innere Mauern prallen lassen…
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