Seine Zähne seien ganz krumm, findet F. Kleine gelbliche Brocken, die irgendwie bizarr aus der Mundhöhle ragen. Er schämt sich für seine Zähne. Eine gute Freundin sagt ihm: Wenn du lächelst, gehen drei Sonnen auf. Doch F. tut es ungern, tut es selten, und wenn er es tut, dann lieber im Dunkeln.
B. schämt sich für ihren Körper, sie fühlt sich darin meistens ziemlich unwohl, nur beim Sex erträgt sie ihn. Die dabei stetig wechselnden Bettgenossen haben bessere Augen und beteuern einhellig, der Körper sei wundervoll und sie eine sehr schöne Frau. Aber sie findet, dass Männer auch sonst recht häufig lügen.
Er mag sie sehr, vielleicht ist L. sogar ein wenig in sie verliebt, doch eines Abends bei einer kleinen Party hatte er ein wenig zu viel getrunken und ziemlich anzüglich und zotig auf sie eingeredet. Sie tat es mit einem Lächeln ab, doch L. schämt sich noch immer, er kann kaum mehr mit ihr reden, und wenn es dennoch dazu kommt, bleibt er einsilbig, seine Stimme zittert leicht und er blickt zu Boden.
Ihr Vater sei so peinlich, ruft T. aus. Ihre Freundinnen und Freunde hingegen, sie mögen ihn sehr, finden ihn lustig, er verhält sich nicht wie die anderen Erwachsenen und manchmal noch kindischer als sie selbst. T. schämt sich für ihren Vater, und manchmal sagt sie ihm, dass sie ihn hasse, obwohl sie weiß, dass sie es nie könnte.
Es ist schon lange her, dass man ihm diese seltsamen Kunststoffauflagen auf die Matratze legen musste. Er ist ein großer Junge, findet E., er macht sich nicht mehr in die Hose. Und dann, eines Nachts, geschieht es dennoch. Die Mutter meint, das passiere halt, das sei nicht so schlimm. Aber E. schämt sich und stellt einige Monate lang sein Wachstum ein.
Sie trägt ihre Ärmel lang, sogar an heißen Sommertagen. M. schämt sich nicht für ihre nackten Arme, sondern für die Linien auf der Haut, die sich zwar stetig verändern, sich häufen und wieder reduzieren, aber niemals ganz verschwinden. Sie hasst die Hilflosigkeit in den Augen ihrer Eltern, aber noch mehr verabscheut sie das, was diese Augen sehen.
V. lacht über F. und seine krummen Zähne. K. gibt den Befehl, ein Dorf zu bombardieren. D. findet, die schluchzend auf dem Boden liegende Frau habe es nicht besser verdient. G. flucht über all die Ausländer. S. sammelt Fotos von nackten Kindern. N. hadert mit dem Artikulieren und lässt lieber seine Fäuste sprechen. Das ist alles. Mehr gibt es über sie nicht zu sagen.

ich habe woanders gerade über den menschlichen makel kurz kommentiert, lieber disputnik, und deine gekonnte „aufzählung“ solcher makel hier ist sehr b. eindruckend!
die frage, die ich mir dabei immer stelle, lautet: warum überbewerten wir sie so, selbst, vor allem auch?
das ist doch ein riesenfehler, finde ich!
liebe abendgrüße
finbar
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Vielen Dank, lieber Finbar, für deine Worte, für deine Gedanken… Ja, es ist wohl ein Fehler, ein Makel, die Makel überzubewerten, und ich weiss nicht, weshalb wir es dennoch oftmals tun. Ebenso wenig weiss ich, warum sich manche Menschen für Banales oder sogar für Schönes schämen, während andere selbst bei schrecklichsten Dingen kein Schamgefühl zeigen…
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Groß!
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DANKE!
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Danke.
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Bitte. Danke!
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