Ein leises Klopfen an der Tür, in das Nichts vor dem Fenster dringt ein Grollen und Blinken. Das Klopfen wird lauter, doch sie bleiben still, nahezu reglos auf einem Bett, das ebenso gut ein Boot auf der Oberfläche eines schlafenden Ozeans sein könnte. Eine kaum hörbare Stimme ertönt. Bist du wach? Ja, flüstert eine zweite Stimme in die Ruhe zwischen dem Klingeln und Klopfen. Dann begegnen sich zwei Hände, umklammern sich wie zwei Liebende im entrückten Taumel.
Zwei Liebende im entrückten Taumel, ihr Atmen strukturiert die Zeit, der sie entflohen sind. Sie drängen zueinander, magnetische Körper im freien Fall. Finger graben sich in Haar und Haut, als wäre die spürbare Nähe nicht nah genug, und selbst die sanftesten Berührungen gehen tiefer als jede Narbe, tiefer als alle Schläge der Vergangenheit. Der Rhythmus wird schneller, und irgendwann dann ein Aufbäumen, ein inneres Beben, stumme Schreie in einem luftleeren Raum.
Stumme Schreie in einem luftleeren Raum, sie können nicht atmen, zu dick sind die Mauern, zu dunkel die Tage. Sie sind Gefangene, liegen beide in Ketten, in entfernten Häusern, in verschiedenen Welten, aber in der gleichen Misere, weit weg von Freiheit und Leben. Ein kurzer Brief von hier nach dort. Wir müssen weg! Die Antwort ist kurz, ein Ja wie ein Schlachtruf, keine Ausflüchte mehr, nur noch das Flüchten, und als die Nacht endlich still wird, brechen sie aus.
Als die Nacht endlich still wird, brechen sie aus, jede für sich und beide gemeinsam. Zurück bleiben gesammelte Tränen in Isolierflaschen und zersplittertes Glas. Zurück bleiben zwei leere Gefängnisse, zwei Häuser, zwei leblose Leiber zweier Männer. Einige Tage später dann die blauen Lichter und das Brüllen der Sirenen, zwei Gesichter auf Titelseiten und Bildschirmen, und zur gleichen Zeit sind sie sich nah, die zwei Gesichter, nur Zentimeter voneinander entfernt.
Zwei Gesichter, nur Zentimeter voneinander entfernt, dann berühren sich Lippen und Hände, Brüste und Beine, sie liegen in einem kargen Zimmer auf einem Bett, das ebenso gut ein Boot auf der Oberfläche eines schlafenden Ozeans sein könnte. Eine kaum hörbare Stimme ertönt. Hast du Angst? Nein, jetzt nicht mehr, flüstert eine zweite Stimme, nie mehr. Dann schlafen sie ein, in stiller Umarmung und vollkommener Vertrautheit, zwei nackte Körper in einem fremden Raum.
Zwei nackte Körper in einem fremden Raum, das Licht des jungen Tages weckt sie auf. Sie duschen, sie trinken, sie rauchen, alles gemeinsam, denn jede Sekunde hat Gewicht. Sie ziehen sich an, zumindest ein wenig, legen sich wieder auf das Bett. Ein Räuspern, dann eine Stimme. Alles wird gut. Nein, gibt eine zweite Stimme zurück. Alles ist gut, jetzt. Es war nicht gut, und es wird nicht gut werden, aber der Moment war es wert. Dann ertönt ein leises Klopfen an der Tür.

Lieber Disputnik,
diese Kurzgeschichte ist,
was Form und Inhalt angeht,
perfekt!
Liebe Grüße zum Abend
vom Finbar
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Lieber Finbar,
und deine Worte zur Geschichte sind,
was Form und Inhalt angeht,
wunderbar!
Vielen Dank und liebe Grüsse zurück…
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