Eine verlassene Raststätte mit einigen Zimmern, ein merkwürdiges Konstrukt im Niemandsland, kahle Mauern, die Architektur aus einer anderen Zeit. Einst war dieses Gebilde wohl ein Zeichen für den Aufbruch in eine helle Zukunft, doch mit der Zeit schwindet das Licht, und nun ist es dem Abbruch geweiht und die Zukunft nur ein weiteres gebrochenes Versprechen. Ein kalter Wind dringt durch geborstene Fenster und in jeden Winkel, Tapetenfetzen zittern an den Wänden. In der Mitte eines Raumes eine Matratze, und darauf zwei Menschen, am einzigen warmen Platz der Welt.
Sie sind sich hier begegnet, zwei Rastlose an einer Raststätte, auf der Suche nach einer Unterkunft, nach ein wenig Schutz vor der ruchlosen Witterung. Zuerst waren sie skeptisch, die Anwesenheit des anderen verunsicherte sie, das Alleinsein lag ihnen näher. Doch erstaunlich rasch legten sie ihre Rüstungen ab, tauschten entwaffnende Blicke, und nun liegen sie nackt in einem nackten Raum, zwei Menschen am einzigen warmen Platz der Welt.
Ich kenne dich aus einem anderen Leben, sagt sie. Er lacht leise und verneint. Hätte es bereits ein Leben für ihn gegeben und wäre sie ein Teil dieses Lebens gewesen, würde er alles dafür gegeben haben, um dort zu bleiben, in jenem Leben, bei ihr. Vielleicht war es nicht genug, flüstert sie. Vielleicht ist es das nie, erwidert er, vielleicht reicht es nur für einen Moment, nicht für ein Leben. Sie streichelt seinen flachen Bauch und starrt an die Decke.
Dann lieben sie sich, ein weiteres Mal. Sie sitzt auf ihm, seine Hände gleiten zitternd über ihre Brüste, ihre Arme, ihre Hüften. Ihr Kopf fällt leicht nach hinten, die Haare fließen schwarz über ihren Rücken. Ihr Becken wiegt in einem rhythmischen Takt, die Musik wird schneller, und als sie schließlich verstummt, hört sie auf zu atmen, einige Sekunden lang, ein kleiner Tod am einzigen warmen Platz der Welt.
Es ist ein anderes Leben, hier und jetzt, denkt sie, und sie würde alles dafür geben, um bleiben zu können. Doch es ist nicht genug. Das ist es nie, nicht für sie. Es reicht nur für einen Moment, nicht für ein Leben. Als er eingeschlafen ist, steht sie auf, zieht sich an und deckt mit einem letzten Blick seinen schlafenden Körper zu. Dann verlässt sie den Raum, den einzigen warmen Platz der Welt, und tritt hinaus in die Kälte. Während sie langsam durch den schüchternen Entwurf eines Morgens geht, hört sie hinter sich ein Knirschen, etwas zerbricht, der Klang hallt nach, und dann wird es wieder still.

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