Irgendwann gab Sigmund Freud auf. «Die große Frage, die ich trotz meines 30-jährigen Studiums der weiblichen Seele nicht zu beantworten vermag, lautet: Was will eine Frau eigentlich?» Der Mann, der die Psychoanalyse begründete und unter anderem das sexuelle Begehren als Hauptantrieb des menschlichen Verhaltens bezeichnete, hatte also laut eigener Aussage keine Ahnung von Frauen. Für den Durchschnittsmann ein willkommenes Argument, wenn er wieder einmal daran gescheitert ist, den Wunsch einer Frau von deren Augen abzulesen. Wie soll er denn wissen, was eine Frau will, wenn nicht einmal Freud, der sich so intensiv mit dieser Frage beschäftigt hatte, eine abschließende Erklärung finden konnte?
Einfacher hatte es Mel Gibson. Im Film «Was Frauen wollen» fiel er, bislang überzeugter Chauvinist, mitsamt Fön in eine Badewanne und erlitt einen Stromschlag. Die Episode hatte die eigentümliche Nebenwirkung, dass er die Gedanken von Frauen hören konnte. Fortan wusste er, was Frauen wollten. Und weil er sich entsprechend verhielt, wurde aus ihm ein Traummann, Frauenversteher und Sexgott. Natürlich nutzte er seine Fähigkeiten zuerst zum eigenen Vorteil aus. Natürlich verliebte er sich im Verlauf des Films. Natürlich sah er irgendwann ein, dass er bisher ein sexistischer Idiot gewesen war. Und natürlich war aus ihm am Ende ein geläuterter Macho geworden, der die Liebe gefunden hatte. Als Durchschnittsmann müsste man also nicht 30 Jahre Feldforschung auf dem Gebiet der Weiblichkeit betreiben, um herauszufinden, was Frauen wollen. Zwei Stunden mit Mel Gibson reichen.
Bei der Frage, was eine Frau sich von einem Mann wünscht, beriefen sich die Macher des klischeehaften Films übrigens auf eine Umfrage der Zeitschrift Vanity Fair. Einfühlungsvermögen, Humor, Treue und Intimhygiene zählten dort zu den häufigsten Antworten. Mel Gibson hatte den Artikel wohl kaum gelesen und auch bei seinem eigenen Film nicht gut aufgepasst. «Ich werde dein verdammtes Haus niederbrennen! Aber vorher bläst du mir noch einen», ließ er seine Ex-Geliebte und Mutter seines Kindes einst wissen und drohte, sie im Rosengarten zu begraben. Was wohl kaum etwas sein dürfte, das Frauen wollen.
Sigmund Freud war offenbar erfolgreicher. Zwar gab es sexuelle Probleme und Eifersucht, doch die Ehe mit seiner Frau schien glücklich. «50 Jahre und kein einziger schwerer Konflikt mit meinem Sigi», bilanzierte Martha Freud nach dem Tod ihres Mannes. Vielleicht ist es tatsächlich besser, nicht zu wissen, was Frauen wollen. Vielleicht reicht es schon, sich dafür zu interessieren. Und vielleicht ist die Frage falsch gestellt. Womöglich geht es gar nicht darum, was Frauen im Allgemeinen wollen. Sondern darum, was eine bestimmte Frau sich im Speziellen wünscht. Was sich durchaus herausfinden lässt. Man muss nur miteinander reden.

Dieser Text erschien als Kolumne im L-Magazin, Ausgabe 10
Ich glaube, Frauen haben selber keine Ahnung davon was sie wollen. Ich wette nämlich, dass die Männer mit denn Attributen „Humor, Einfühlungsvermögen, Treue und Intimpflege“ auch nur durchschnittlichen Erfolg bei Frauen haben, aber das waren die ersten klischeehaften Antworten die den Befragten dabei einfiel. Wenn man dann doch mal einen glücklichen Versuch wagt, weil man denkt, sie würde jetzt gern etwas wollen, dann kann man sich dabei auch so weit verschätzen, dass es vielleicht besser gewesen wäre, nichts zu machen. Und selbst die Frage danach, wir ja manchmal so beantwortet, als wäre es ein Verbrechen, dass man das nach so langer Zeit immer noch nicht einschätzen könnte…was als Argument auch nur zählen würde, wenn Frauen nicht so ambivalent wären.
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Vielen Dank fürs Lesen und für deine Gedanken… Ob du deine Wette gewinnen oder verlieren würdest, weiss ich nicht, doch Humor, Einfühlungsvermögen und Treue, wie klischeehaft sie auch sein mögen, dürften auf beiden Seiten einer Beziehung durchaus wertvoll und erstrebenswert sein. Wie viel Sinn es machen würde, als Mann etwas nur aus dem einzigen Grund zu tun, weil man denkt, die Frau würde genau das wollen, wage ich nicht zu beurteilen, ebenso wenig, ob Frauen generell ambivalent sind und selbst keine Ahnung haben, was sie wollen. Ich kenne zwar nur einen Bruchteil der weiblichen Bevölkerung, aber sogar in diesem Bruchteil zeigen sich diesbezüglich grosse Unterschiede, und gleiches gilt wohl auch für Männer…
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Wirklich toll geschrieben! Und dass ausgerechnet Mel Gibson wissen soll, „Was Frauen wollen“, ist nun wirklich eine perverse Ironie 😉
Ich möchte aber behaupten, dass auch Männer dann und wann ein Buch mit 7 Siegeln sein können – zumindest für mich 😀
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Vielen Dank für deine Worte, und ja, bei vielen Männern dürfte es ähnlich schwierig sein, tatsächlich zu wissen, was sie wollen. Komplizierte in unterschiedlicher Ausprägung gibt’s wohl bei beiden Geschlechtern…
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Du hast sicher Recht damit, dass es darum geht, was die spezielle Frau gerade will und nicht, was alles wollen. Allerdings finde ich, könnten Frauen auch einfach sagen, was sie wollen (und was nicht). Ich versuche es jedenfalls so zu handhaben.
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Absolut… Überhaupt macht es mehr Sinn, seine Bedürfnisse und Wünsche mitzuteilen und zu teilen. Sofern man sie denn kennt. Doch eigentlich ist es wohl unter anderem einfach eine Frage von Offenheit und Kommunikation, ganz unabhängig von Geschlecht oder anderen Umständen… Vielen Dank fürs Lesen und für deine Gedanken…
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hm, tja, was will ich denn? Ich frage mich selbst mal und erkenne, ich weiß es schon, aber in meinen Augen ist es bestimmt nicht in diesem Moment zu erkennen. Es gibt Momente, da ist es zu erkennen, das gebe ich zu, aber jetzt gerade ist keiner davon, denn ich bin mir ganz und gar nicht schlüssig, was ich jetzt gerade möchte…
Oder ja doch, ich möchte meine Ruhe, damit ich diesen Kommentar schreiben kann, nachdenkend und alles in die Tastatur hauend, bevor die Gedanken wieder wegfliegen u. anderen Platz machen…
Man muss nur miteinander reden – ist Dein Schlußsatz und wie recht hast Du damit.
Beide sollten reden, nicht nur die eine… Vielleicht ist ja auch das, was Frauen wollen, etwas anderes, als das, was Frauen sich eigentlich wünschen, aber ist es bei Männern nicht genau so? Sie wollen etwas, aber im Geheimen sind sie sich ihrer echten und tiefsten Wünsche gar nicht bewußt, weil sie nicht tiefer graben – wollen…
Mel Gibson habe ich gesehen, ich habe gelächelt, gegrinst und bestimmt auch gelacht, ernst genommen habe ich ihn natürlich nicht *grins*
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Ja, man muss miteinander reden, und selbst dann dürfte es kaum gelingen, wirklich zu wissen, was der oder die Andere eigentlich will, vor allem, weil der oder die Andere es oftmals selbst nicht weiss… Ausserdem wäre es wohl ziemlich langweilig, wenn einem das Gegenüber jeden Wunsch von den Augen ablesen könnte…
Vielen Dank fürs Lesen und für deine Worte, liebe Bruni…
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