Sie erkennt den Song nach drei Sekunden, nach fünf kann sie ihn einordnen. Dann kommen die Tränen.
Der Song heißt Fuzzy und stammt von Grant Lee Buffalo. Es war ein Sonntag, als sie ihn zum letzten Mal hörte. Draußen regnete es in Strömen. Natürlich regnete es. Zu den ersten Takten hatte sie die Maus in die kleine Kartonschachtel gelockt und den Deckel geschlossen. Dann ging sie zur gefüllten Badewanne und drückte die Schachtel unter Wasser. Zuerst zuckte sie heftig, wurde alsbald ruhig, und nach dem letzten Ton des Songs war alles vorbei.
Die Maus hieß Maus. Einen anderen Namen wollte sie ihr nicht geben. Maus war ein Geschenk von Lara. Und Maus war das letzte Wort, das Lara jeweils zu ihr sagte, bevor sie gemeinsam einschliefen, eingehüllt in ein Gefühl von Wärme und Nähe.
An jenem Tag, als Lara Maus mitbrachte, schien alles so normal, und normal war damals gut. Sie redeten, sie schwiegen, sie küssten sich, und Maus schaute aufmerksam zu. Später lagen sie im Bett, ohne Maus, und Lara ließ eine banale Frage unbeantwortet. Sie fragte erneut. Lara blieb stumm. Als sie zu sprechen begann, klang ihre Stimme dumpf und zitterte.
Nach Wochen und Monaten in einem zähen Nebel ging es plötzlich schnell. Sie hatten heiraten wollen, irgendwo, an einem schönen Ort. Schon bevor Maus da war, hatte sie Lara ein Hochzeitskleid gekauft, vollkommen weiß, mit Schleier. Sie wollte es ihr schenken. An jenem Abend lag Lara im Bett, schwach und müde. Sie sprachen nur wenig, und irgendwann ließ Lara eine Frage unbeantwortet. Während sie in Laras glasige Augen blickte, kletterte Maus über ihren Körper. Maus war ein Geschenk von Lara. Und Maus war das letzte Wort, das Lara zu ihr sagte, bevor sie einschlief. Sie zog ihr das Hochzeitskleid an und legte sich neben Laras Körper.
Seither war nur Maus geblieben. Zu Beginn war sie eine Art Denkmal, ihre Anwesenheit tat ihr gut. Doch allmählich konnte sie es kaum mehr ertragen, Maus zu sehen oder gar zu berühren. Bald tat es nur noch weh, und der Gestank im Käfig von Maus wurde immer stärker. Schließlich legte sie die CD von Grant Lee Buffalo ein.
Und jetzt läuft Fuzzy im Radio. Draußen regnet es in Strömen. Natürlich regnet es. Nach dem letzten Ton des Songs schaltet sie das Radio aus. Sie zieht ein weißes Kleid an und legt sich ins Bett. Dann schließt sie die Augen.

eine gute Geschichte, traurig, wie es im Leben leider oft sein kann und in eine wundersam treffsichere poetische Sprache hast Du sie gefasst – die Geschichte von ihr und Lara und der Maus und davon, wie sie endete, die Geschichte, wie sie sein kann – im wirklichen Leben und ihr Ausgang deutete sich sehr langsam und behutsam an
Einen lieben Gruß von Bruni
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Vielen lieben Dank dir fürs Lesen und für deine Worte, liebe Bruni… Liebe Grüsse zurück!
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Ich habe während dem Lesen das Lied gehört 🙂 macht es noch trauriger-schöner…
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Ist auch ein sehr schöner trauriger Song… Vielen lieben Dank fürs Lesen und Hören und für deine Worte…
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Wow! Wunderschön geschrieben- und so traurig…
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Vielen lieben Dank fürs Lesen und für deine Worte!
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