Karin lässt ihre Hand über das Laken gleiten. Sanft und zitternd. Etwas könnte zerbrechen. Dann graben sich die Finger in den Stoff.
Katrin hat das Licht gedimmt und die Kerzen angezündet, sie duften nach Rosen und Sandelholz. Sie hat die CD von Portishead eingelegt, die Musik tröpfelt leise in den Raum. Als Katrin ihren Namen flüstert, hält Karin den Atem an. Atmen ist wichtig, lebenswichtig, das weiß Karin. Doch Katrins Stimme dringt tiefer, dringt ein und füllt sie aus. Karin erstarrt und verharrt und schnappt nach Luft und schweigt. Schweigt im Nachhall des Flüsterns.
Komm, sagt Karin. Katrin nähert sich, wie ein Schatten. Karin schließt die Augen und streckt sich, breitet die Arme aus. Katrins Körper lässt das Bett leicht erbeben, und Karin wartet. Wartet auf die erste Berührung, auf den ersten Kuss, ohne zu wissen, wo er sie treffen wird. Mit jeder Sekunde, die durch die Zeit stolpert, steigt die Spannung, die Erregung. Karin windet sich, drängt Katrin entgegen, doch als sie die Augen einen Moment lang öffnet, sieht sie Katrin still neben ihr kniend, ihren Körper betrachtend. Komm, sagt Karin. Schließ deine Augen wieder, hört sie Katrin erwidern.
Als Katrin ihr Gesicht berührt, zuckt Karin zusammen. Katrins Finger streifen über ihre Wange, über ihre Lippen. Karin öffnet leicht ihren Mund, schiebt die Zunge ein wenig nach vorn. Katrins Finger sind feucht, als sie über Karins Hals wandern, hin zu den Schultern. Sie wandern weiter, zu ihren Brüsten, umkreisen die Brustwarzen wie hungrige Tiere. Beim Bauch werden die Finger zu einer Fläche, und als Katrin ihre Hand über die Innenseite ihrer Oberschenkel führt, bäumt sich Karin leicht auf.
Katrins Haare kitzeln in ihrem Gesicht, und Karin lächelt. Die Haare, sie tanzen wie Federn über ihre Haut, ein Ballett ohne Sprünge, nur ein stetiges Streben, hin zu Karins Hüften, zu ihrem Schoss. Sie spürt Katrins Lippen, ihre Zunge, die sich im Kreis zu drehen scheint. Katrins Hände schieben sich unter ihr Becken, und Karin drückt es nach oben, nach vorne, ihre Beine verkrampfen sich und drängen zueinander. Sie spürt Katrins Kopf. Ihren eigenen nicht mehr. Give me a reason to be a woman, singt Beth Gibbons von Portishead.
Karin lässt ihre Hand über das Laken gleiten. Sanft und zitternd. Etwas könnte zerbrechen. Dann graben sich die Finger in den Stoff.
Ich brauche dich, flüstert Karin in das diffuse Licht, das sich an den aufsteigenden Rauch ihrer Zigarette klammert. Ohne dich bin ich nur eine Hülle. Nur eine ungefüllte Klammer. Meine Räume, sie haben keinen Duft ohne dich. Meine Musik hat keine Stimme. Meine Welt, sie ist nur völlig dunkel oder grell und hell ohne dich. Ich brauche das Zwischenlicht, die Zwischentöne. Ich brauche dich, flüstert Karin erneut. Und schweigt. Schweigt im Nachhall des Flüsterns.
Ein Windstoß lässt die Kerzen flackern, die Schatten erschrecken. Karin reißt die Augen auf, fährt hoch, hält den Atem an. Benommen sieht sie sich um, erforscht den Raum mit ihren Blicken. Die Kerzen sind erloschen, Rauch steigt von den Dochten auf, und die kleine Lampe leuchtet beinahe vorwurfsvoll in der Ecke des Zimmers. Katrin ist weg. Ist verschwunden. Karin streckt ihren Hals, legt den Kopf schräg, doch es ändert sich nichts. Katrin ist nicht zu sehen. Mit jeder Sekunde, die durch die Zeit stolpert, verschwimmen die Konturen des Raumes, verformen sich zu Fragmenten eines neuen Bildes. Als das Bild allmählich klar und deutlich wird, drängen erste Tränen aus Karins Augenwinkeln. Komm, sagt Karin. Ich brauche dich. Sie wartet, doch Katrins Stimme bleibt stumm. Karin erstarrt und verharrt und schnappt nach Luft und schweigt. Schweigt im Nachhall des Flüsterns.
Karin lässt ihre Hand über das Laken gleiten. Sanft und zitternd. Etwas ist zerbrochen. Dann graben sich die Finger in den Stoff.

sehr sinnliches Bild und passend zu den Zeilen!
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Vielen lieben Dank für deine Worte!
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wundervoll ineinander verwoben,
die beiden Namen, die beiden Körper…
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Vielen Dank, lieber Finbar!
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Magst du eigentlich Triphop auch so wie ich, also Portishead natürlich, mit denen alles ja anfing international zu werden, Massive Attack, Hooverphonic, Morcheeba, Lamb et al…?
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Ja, mochte ich vor allem damals, vor ein paar Jahren. Bei Portishead und Massive Attack hält die Liebe noch an…
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