Die Wiesen sind nicht mehr grün, die Magnolien nicht mehr rosa, der Himmel ist am Tag nicht mehr blau und an lauen Abenden weder orange noch violett, und wenn er sich schneidet, rinnt das Blut tiefschwarz über die Haut. Seine Welt ist entfärbt, und was bleibt, sind Schwarz und Weiß und Schattierungen von Grau. Er ist farbenblind, ist es geworden mit der Zeit. Begonnen hat es mit einer leichten Entsättigung, und er hantierte mit dem Farbregler am Fernsehgerät, doch es nützte nichts, die Farben blieben blass und wurden immer schwächer, auch draußen vor dem Fenster und in jedem Winkel. Gurken und Tomaten waren bald dunkelgrau, und unzählige davon warf er weg, bevor er bemerkte, dass sie eigentlich noch frisch waren. Die Rosen vor dem Haus blieben rot bis zuletzt, und als auch sie ihre Farbe verloren, konnte er vor Angst kaum mehr atmen. Doch allmählich begann er, sich damit abzufinden; man gewöhnt sich wohl nicht an alles, aber an vieles, und er gewöhnte sich an sein unbuntes Sein. Und irgendwann wurde sie normal, die entfärbte Welt.
Nun steht er da, in diesem Schwarzweißfoto, das er Leben nennt. Die Dinge, sie sind hell oder dunkel, zumeist diffus und grau, und auch aus seinen Träumen, die lange Zeit eine letzte Bastion der Farbigkeit geblieben waren, ist das letzte Rot entwichen. Er ist wütend. Nicht etwa, weil er keine Farben mehr sieht, das hat er zu akzeptieren gelernt. Nein, er ist wütend auf die Menschen, jene Menschen, deren Wiesen noch grün sind. Er versteht nicht, weshalb ihr Himmel noch blau ist, weshalb ihre Tage orange und violett sind, und er will und kann es nicht akzeptieren. Wenn er sie schneidet, rinnt ihr Blut tiefschwarz über ihre Haut. Mehr muss er nicht wissen. Und wenn man versucht, ihn neu einzufärben, kann er vor Angst kaum mehr atmen, doch jedes Pigment prallt an ihm ab, er bleibt in seinem Schwarzweißfoto. Mehr kann er nicht sein, mehr mag er nicht werden. Seine Welt ist entfärbt. Und bleibt entfärbt.

wie sind sie nun, die Träume? schwarz/weiß oder doch eher bunt? Kunterbunt sind sie oft, das weiß ich genau. Doch ein Leben in schwarz/weiß ist so, als wären Freude und Glück um die Ecke verschwunden und der Rückweg blockiert von einem, dem Farben und Lebendigkeit ein Greuel sind, der sie schneidend ausmerzt und nur Freud- und Lebloses durchläßt.
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Vielen Dank, liebe Bruni… Jaha, wichtiger als die Farbe in Träumen ist wohl die Farbe im Leben. Ein Sein und Denken und Fühlen in Schwarz-Weiss wäre kein Leben mehr…
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Reblogged this on Hartmut Gülink.
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Erst mal tief durchatmen, …..komischerweise halte ich beim Lesen Deiner Texte fast automatisch immer die Luft an… Der Winter entfärbt unsere Welt auch gewisse Weise und ich finde dies schon fürchterlich bedrückend… Was mag erst in einem Menschen vorgehen, der langsam erblindet?
Mit Deinen wunderschönen Bildern und Deinen Texten schaffst Du es immer wieder mein *Kopfkino anzukurbeln….
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Vielen lieben Dank für deine Worte und dafür, dass du dich mit meinem Texten auf dein Kopfkino einlassen magst… Auch wenn es langfristig empfehlenswerter ist, beim Lesen zu atmen, sonst geht dem Kopfkino die Luft aus…
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da fällt mir grad auf, lieber disputnik, dass wir in unseren träumen immer entfärbt träumen, dass träume lediglich s/w-abbilder oft sehr farbenreicher Vorstellungen sind, oder geht das nur mir so? will heissen: träumst du in farbe?
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Einer meiner häufigsten Träume meiner Kindheit ist so kurz wie banal. Ich fahre in einem roten Cabriolet, über Landstrassen und über eine Kreuzung. Mehr war nicht, ich fuhr einfach mit diesem Auto rum. Aber eben, es war rot, eindeutig rot, immer. Mag sein, dass es erst in meinen jeweiligen Erinnerungen an den Traum zu dieser Farbe kam. Aber erhalten (Schlaf-)Träume nicht erst im Erinnern eine Form, mit der wir im Wachsein etwas anfangen können?
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Ich träume definitiv in Farbe. Träumst du wirklich in schwarz-weiß? Das wäre echt faszinierend, weil – soweit ich weiß – wenn überhaupt, eher Männer in schwarz-weiß träumen.
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Gemäß Traumexperten (wie auch immer man ein solcher wird) träumen Frauen tendenziell eher in Farbe als Männer. Einig sind sich wohl auch die Wissenschaftler nicht; einige meinen gar, dass es davon abhängt, ob man mit Schwarz-Weiß- oder Farbfernsehen aufgewachsen ist. Aber möglich dürfte wohl alles sein; leuchtend farbige Träume, monochrome oder schwarz-weiße Träume, oder aber die nachkolorierten, die vom Verstand nachträglich mit Farben beladen werden. Ich kann mich jedenfalls nicht an schwarz-weiße Träume erinnern…
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„Traumexperte“ wirst du, indem du Psychologie, Neurowissenschaften oder Biologie studierst. Dann hängst du mit deinen Kollegen im Schlaflabor und überprüfst die REM Phasen, enthebst physiologische Parameter und befragst die Probanden nachträglich. ;D
Soweit ich weiß, träumt man selten sw, aber wenn, dann zeigt sich das eher bei Männern als bei Frauen. Ob man nachträglich achromatische Traumbilder uminterpretiert, ist bei Träumen eigentlich egal, weil Träume generell durch Interpretation entstehen, selbst in dem Moment, in dem man sie träumt, hat das Gehirn aus irgendeinem Grund entschieden „Das hier muss jetzt mal verarbeitet & sortiert werden, das andere nicht.“
Ich kann mich – wie du – gar nicht in sw-Träume erinnern. Deshalb fand ich das gerade krass. Ich hatte die Möglichkeit, in sw zu träumen, nämlich total vergessen. 🙂
Bis bald …!
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Macht Sinn, die Sache mit der Interpretation im Bezug auf das nachträgliche Einfärben der Träume…
Vielen lieben Dank dir für deine Mühe und die Einblicke… Ich werd dann beim nächsten Traum (oder bei der nächsten Gelegenheit, bei welcher ich mich an einen Traum erinnere) mal drauf achten, ob’s ein Schwarzweissfilm oder nicht doch ein Farbfilm war…
Nochmals lieben Dank dir…
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ja, ich träume NUR in s/w …
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Deine Worte bringen Farbe in die Welt. Danke!
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Danke auch! Für die Worte und die Farbe und die Welt…
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ein zauberschöner kommi …
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