Sie war damals wohl etwa zwanzig und damit zwei oder drei Jahre älter als ich, sie hieß Patricia, mit c, war sehr klein und dünn und laut, doch ich mochte sie trotzdem, schon allein, weil sie mich beachtete, mit mir sprach, und womöglich war ich sogar ein wenig verliebt, wenn auch nicht allzu heftig und nur sehr theoretisch; wir waren Arbeitskollegen, saßen in benachbarten Büros und verbrachten die Pausen zusammen, und einmal erzählte sie von einem Freund eines Freundes, vielleicht auch von einem Bekannten eines Freundes eines Freundes, weit weg war besser, möglichst weit draußen in der Peripherie des sozialen Umfeldes, aus gutem Grund, denn besagter Herr reiste mit einem Freund nach Paris, die Stadt der Liebe, wobei es wohl vor allem die körperliche Ausprägung derselben war, die ihn lockte, und tatsächlich lernte er alsbald eine Frau kennen, die gewillt war, ihn auf sein Hotelzimmer zu begleiten, zuvor jedoch noch darauf aufmerksam machte, dass sie spezielle sexuelle Praktiken bevorzugte, was ihn in seiner testosterongeschwängerten Lust nur noch befeuerte, und entsprechend bereitwillig ließ er sich nackt ans Bett fesseln, fand es zuerst äußerst aufregend, als sie, ebenfalls nackt, sich auf ihn setzte, so sollte es doch sein, aber dann verkrampften sich plötzlich ihre Gesichtszüge, einige Sekunden lang, und im nächsten Moment fiel ein warmer, stinkender Haufen auf seinen Bauch, was ihn heftig zusammenzucken und seinem Mund wohl das Wort Scheiße entweichen ließ; die junge Frau derweil, sie machte sich kurz sauber und verließ ohne Abschiedsworte das Zimmer, während er sich, noch immer nackt und ans Bett gefesselt, in jeder Hinsicht beschissen fühlte, ein Umstand, der sich in den folgenden Stunden auch nicht ändern sollte, bis sein Freund, der seinerseits einer anderen Dame in deren Schlafgemach gefolgt war, ihn am nächsten Morgen fand, dabei wohl das Wort Scheiße sagte, was seinem Reisebegleiter nur ein müdes Nicken entlockte, und als mir Patricia diese Geschichte erzählte, musste ich lachen und war gleichzeitig ein wenig verwirrt, ich war schließlich noch sehr jung und fand das Ganze sehr merkwürdig, und in den folgenden Monaten dachte ich immer wieder an diese Episode, erzählte sie natürlich weiter, denn der unterhaltsame Aspekt der Begebenheit war nicht zu vernachlässigen, und als ich irgendwann mit einem Freund eine kurze Städtereise nach Paris unternahm, war sie im Hinterkopf und schien mich latent zu verunsichern, wenngleich ich mich in weitgehender Sicherheit wiegte, keine derartigen Erfahrungen zu machen, da ich die Chancen, in Paris überhaupt ein Mädchen kennenzulernen, in unmittelbarer Nähe des Nullwertes verortete, eine Prognose, die sich natürlich bestätigte, was auch nicht verwunderlich war, denn nachdem wir gleich am Tag der Ankunft auf den weitläufigen Wiesen vor dem Eiffelturm einem aufmerksamen und geschäftstüchtigen jungen Mann eine beträchtliche Menge Gras abgekauft hatten, verbrachten wir den größten Teil des restlichen Urlaubs in den tristen vier Wänden unseres Hotelzimmers, rauchend und Waffeln aus Großverpackungen essend, und Patricia habe ich seither nicht mehr gesehen, doch wenn ich an sie denke, erinnere ich mich selten an meine geringfügige Verliebtheit oder daran, wie klein und dünn und laut sie war, sondern vor allem an das Erlebnis des Freundes eines Freundes von ihr in der Stadt der Liebe und manchmal auch an die Waffeln im Hotelzimmer, und irgendwie mutet das seltsam an.

Genial! Mehr kann ich dazu wohl nicht sagen.
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Danke! (Mehr kann ich dazu wohl nicht sagen.)
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ja beschissen gelaufen und glatt fürn Arsch, aber Paris wird überschätzt
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Mag sein, vieles wird überschätzt, aber wenn man mehr tut als nur Hotelzimmerwände anzustarren und gleichzeitig beschissenen Begegnungen entgeht, ist Paris vielleicht gar nicht so schlimm.
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stimmt, dann kann sogar Paris traumhaft sein, doch ein ähnliches Erlebnis in Rom, NewYork oder auf Hawaii wäre ähnlich erniedrigend geworden, also warum nicht in Paris, wenn schon, denn schon
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ja, und rein aus dramaturgischen Gründen war die Wahl des Reiseziels dann doch nicht ganz schlecht
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