Mark kratzt sich am Hinterkopf, räuspert sich ein wenig unbeholfen und meint dann zu mir, man müsse jedem Tag die Chance geben, der schönste des Lebens zu werden. Ich widerspreche, denn so sehr ich ihn schätze und seine Klugheit bewundere, hier sei er in meinen Augen auf dem Holzweg. Er reagiert leicht gereizt auf meinen Einwand, dass ich keinen Anlass sehe, jedem einzelnen Tag die erwähnte Möglichkeit einzuräumen, und dass ich mir manchmal bereits am Vorabend ziemlich sicher sei, dass der kommende Tag eine derartige Gelegenheit nicht zu nutzen wissen werde. Das sei auch ganz in Ordnung so, sage ich, es dürfe unschöne Tage geben, ohne sie ließe sich der Glanz der schönen Vertreter ihrer Art kaum erkennen. Mark schulterzuckt und grummelt etwas von Dummheit, und ich möchte bereits lautstark protestieren, als sich Albert zu Wort meldet, der bisher geräuschvoll auf dem Sofa geschlafen hatte. Nur zwei Dinge seien unendlich, merkt er an, das Universum und die menschliche Dummheit. Beim Universum sei er sich aber nicht sicher. Dann lächelt er gütig, doch Mark findet es nicht lustig. Ob er ihm Dummheit unterstellen wolle, raunt er Albert zu, aber dieser hebt abwehrend seine Hände und streckt die Zunge heraus. Schnell erhitzen sich die Gemüter, Albert zieht über Marks Frisur her, worauf dieser erwidert, er lasse sich von einem Mann mit einem Gebüsch auf dem Kopf nicht dergestalt beleidigen. Nachdem sich die Streitpunkte relativ schnell von den Haaren entfernt haben, liegen sich die beiden Männer in selbigen. Ihren Fäusten verleihen sie Flügel und offenbaren beide eine überraschende Athletik. Irgendwann bricht Alberts Nase, und er schreit wie ein Schwein am Spieß. Erst als Sigmund zur Tür hereintritt und ihnen mit sonorer Stimme eine Verhaltensstörung attestiert, deren Ursprung zweifellos in der kindlichen Sexualität zu suchen sei, raufen sich die beiden Raufbolde zusammen und nehmen gemeinsam den verdutzten Sigmund in die Mangel, bis dieser weinend zu Boden sinkt.
Kurze Zeit später sitzen Mark, Albert, Sigmund und ich auf dem Teppich, lachend, mit zerzausten Haaren auf unseren Köpfen und Whiskeygläsern in unseren Händen. Ob dies nun einer der von ihm angesprochenen Tage sei, will ich von Mark wissen. Bereits antizipiere ich eine weitere physische Reaktion, doch Mark grinst nur. Albert habe schon Recht, gibt er zu. Schließlich sei der Mensch ja auch das einzige Lebewesen, das erröten könne. Oder es zumindest sollte. Aber manchmal sei es eben ratsam, sich seine Illusionen zu bewahren. Wenn sie verschwunden seien, werde man weiter existieren, aber nicht weiter leben.

ach wie schööön, lieber schreibfreund! und weisst du was? deine episode mit diesen bekannten toten, die allesamt übrigens auch meine freunde für die ewigkeit sind, schon lange, erinnerte mich sofort an meine eigenen marcaurel-dialoge, die ich immer mal wieder über die jahre hinweg schrieb … hier mal einen link auf einen von ihnen, der damals auch noch eine menge „radau“ verursachte, bis hin zum (fast) freundesbruch zwischen ein paar bloggern…
http://finbarsgift.wordpress.com/2012/12/12/sag-mal-marc/
viele sonnengrüße
finbar
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Lieber Finbar, vielen Dank für deinen Kommentar und für den Link zu deinem kleinen Disput mit Marc Aurel. Ich las ihn schon einmal und nun erneut, ein wunderbarer Text, und auch die Kommentare sind äusserst unterhaltsam, irgendwie, unter anderen Gesichtspunkten…
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