Die Welt wird kleiner mit der Zeit. Die Grenzen rücken näher, und gleichzeitig wächst ihre Angst, sie zu überschreiten. Die Mauern wachsen, weit über sie hinaus und hinein in den Himmel, der immer dunkler zu werden scheint. Und während sie mit ihrem Hund die gewohnten Wege geht, hält sie sich im Schatten und abseits der Menge, bleibt dem Gewühl fern. Sie hat längst aufgegeben, sich in fremde Welten einfügen zu wollen, hat eingesehen, dass es nicht ihre Welten sind. Die Leine in ihrer Hand, sie dient nicht nur dazu, den Hund in ihrer Nähe zu wissen. Sie ist auch das einzige, woran sie sich halten kann. Mit verkrampften Fingern klammert sie sich an den Riemen, als wäre er der rettende Haltegriff, der sie vor dem Sturz in die Tiefe bewahrt.
Wer sie sieht, ordnet sie schnell ein, registriert eine sonderbare Frau, entrückt und isoliert, den Blick auf den Boden oder auf ihren Hund gerichtet. Wer ihr jedoch in die Augen schaut, erkennt darin ein merkwürdiges Detail. Ein Sehnen, ein Abwägen, kaum merklich, aber vorhanden, wenn auch weitgehend übertüncht von der Vereisung im Ausdruck. Sie suchen, die Augen, suchen nach einem Erkennen, nach einer Heimat außerhalb der eigenen Höhlen, nach einer Form von Geborgenheit. Doch die Chancen, dass dieses Suchen mit einem Finden belohnt wird, sie schwinden mit jedem Tag. Denn die Welt, ihre Welt, sie wird kleiner mit der Zeit. Die Grenzen rücken näher, die Mauern wachsen, der Himmel verfinstert sich immer mehr, bis sie kaum mehr die Hand vor Augen sieht.

Allein sein ist gut.
Einsam sein ist etwas völlig anderes. Da kannst Du bei aufmerksamem Betrachten das Sehnen spüren, auch wenn es nur in einem Wesenswinkelchen zugelassen wird.
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Vielen Dank für deinen Kommentar…Ja… Man muss aber oftmals sehr genau hinschauen. Und manchmal bleibt auch die grösste Einsamkeit von aussen nicht sichtbar. Weil sie gut überspielt wird, die Alleinsamkeit…
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Der Text ist wie ein Lied und es fiel mir auch sofort ein uralter Liedtext ein: Have you seen the old girl who walks the street of London, dirt in her hair … Deine Worte malen Bilder und wecken Erinnerungen. Wunderschön!
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Sehr schön, wenn die Texte etwas auszulösen vermögen… Vielen lieben Dank für deinen Kommentar und das Zulassen der gemalten Bilder…
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wenigstens hat sie einen hund als freund und begleiter…
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Ja, manchmal sind Menschen weitaus weniger gut in der Lage, Freund und Begleiter zu sein…
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ja, so einsam kann man sein und es schmerzt. guter text!
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Vielen Dank für deine Worte, liebe Apfelesserin!
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