Sie weiß nicht mehr, wann es begann, weiß nicht mehr, wann sie aufhörte, sich zu wehren, sich zu entrüsten, aufzuschreien, doch damals ließ sie es nicht einfach geschehen, damals widersetzte sie sich, kämpfte mit allen Kräften, doch dieses Damals ist längst vorbei und verendet, vergraben unter den Jahren, sie ist des Kämpfens müde, und nun steht sie da, nackt und frierend, mitten im Nirgendwo, umkreist von den Diebischen und Ruchlosen, von den infamen Phantomen, und immer wieder stürzen sie auf ihren Körper, reißen Stück um Stück heraus, eine Fleischeslust, die kein Erbarmen kennt, sie plündern ihren Leib wie tumbe Krieger, die in kleine Dörfer einfallen, und manchmal, wenn der Sturm sich legt, spürt sie die Schmerzen, auf der Haut und tief darunter, doch meistens bleibt alles stumpf und taub, eine kalte Leere umklammert ihre Knochen, und immer, wenn sie angreifen, zuckt sie zusammen, nur kurz, kaum merklich, denn sie hat sich längst daran gewöhnt, hat sich ergeben, mit ausgebreiteten Armen fügt sie sich in das, was sie für Schicksal hält, und während die Hoffnung gemeinsam mit den letzten Tränen in die grobkörnige Erde sickert, wartet sie auf den Tag, an dem die Tyrannen endlich von ihr ablassen werden, weil sie nichts mehr rauben können, nichts mehr an ihr finden werden, nach dem sie trachten, sie wartet auf den Moment, an dem nichts mehr da sein wird, das sie verlieren kann, auch wenn es keinen Unterschied mehr machen wird, denn obschon sie sich nicht mehr erinnern kann, wann es begann, weiß sie genau, dass es niemals enden wird, nie vorbei sein wird, sie hat verloren, den Kampf und sich selbst.

oh, verdammt, welche Sprache sprichst Du hier?
Die Sprache des Elendes, eines kampflosen Ergebens in einen Abgrund, in ein Inferno, dem du nun noch deinen geschundenen Körper darbietet? Sonst hast Du nichts mehr?
Die Angst kam an und fraß dich auf, doch fraß sie denn auch Deine Seele?
Kann sie das überhaupt? Ich hoffe es nicht.
Einsamer gepeinigter Leib, der mich – und das suggeriert das Foto sehr gekonnt –
an Jesus am Kreuz erinnert. Auch er ergab sich, doch er gab NUR seinen Leib.
Was gab er damit von sich selbst? Ich fand schon immer, er gab viel zu viel und es wurde mir zu viel und an dieser Geschichte hörte mien ChristSein schlagsartig auf,
weil ich solche Opfer nicht einsehe, nie und nimmer.
Ich weiß, hier geht es dir um anderes, um eine demonstrative Ergebenheit in ein gnadenloses Schicksal, in das, was der Mensch sich selbst oder anderen antut,
aber alles in mir sträubt sich gegen diese Darstellung.
Ein wahnsinnig guter Text, aber er gefällt mir ganz und gar nicht… und auch das hast du so gewollt, daß er entsetzlich erschreckend empfunden wird.
Eine gewaltige Sprache sprichst Du hier.
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Danke, liebe Bruni, danke. Natürlich war es nicht meine Absicht, etwas zu schreiben, das dir oder anderen nicht gefällt. Aber manchmal lassen sich nur unschöne Worte finden. Jedenfalls, danke für deine Worte, und auch für deine Gedanken dazu, die den Text bereichern und auch meinen Blickwinkel ausweiten.
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es ist völlig in Ordnung, daß Du solche Worte gefunden hast, für das, was Du sagen wolltest.
Es ist Dir geglückt, argwöhnisch zu machen, hinsehen zu lassen statt dem Wegsehen den Weg zu ebnen, wütend zu sein statt ergrifffen, es ist Dir geglückt meine Emotionen zu wecken.
Also hat Dein Text getroffen und das ist es doch, was einem Text gelingen sollte.
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Ja, das ist es, sehr häufig, und ich bin froh und dankbar, dass du dich hast treffen lassen…
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knallharte lesekost, lieber disputnik, die ich jetzt erst einmal für mich als üblen alpdruck interpretiere, zwecks einfacherer verarbeitung der gnadenlosen bilder, die du gekonnt mit wenigen zeilen nur heraufbeschwörst — starke sprache, starke worte…
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Danke, lieber Finbar, fürs Lesen und Kommentieren und dafür, dass du ganz subjektiv interpretierst, die entstehenden Bilder nicht nur betrachtest, sondern für dich selbst deutest. Das ist das Beste, was Worten passieren kann.
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