Sie sitzt am Fenster, ein Dröhnen in den Ohren, von der Stille und all den unbeantworteten Fragen, ein Rauschen aus klingender Vergangenheit, das Lachen und das Schluchzen, das berstende Geschirr und die leisen Schritte auf Parkett, alles aufgelöst im Widerhall der Zeit, eine Zeit, die alles verschlingt, was sich ihr in den Weg stellt, jede Regung und jeden Moment, jede Wärme und jeden Tropfen Blut, alles entflieht ins Nichts, überdauert nur auf alten Fotos, die an den inneren Wänden hängen und davon zeugen, dass etwas da war, dass es echt und wahrhaftig war, und auch wenn es formlos vorhanden ist und eigentlich nicht verschwindet, lässt es sich doch nicht mehr fassen, nicht mehr greifen, und sie weiß um alles, was jemals präsent war, doch sie fühlt vor allem den Leerraum, den die Dinge hinterlassen haben, und dieser Leerraum, er breitet sich aus, um sie herum und unter ihr, und alles, woran sie sich halten kann, um nicht in die Tiefe zu stürzen, ist der Filter der Zigarette zwischen ihren Fingern, sie lauscht dem Dröhnen und atmet, atmet ein und aus, die Luft entweicht, und was bleibt, ist Schall und Rauch.

Deine Gedanken regen so an in sich zu gehen und wirklich nachzudenken und in sich hinein zu spüren….
Schwer etwas kluges hinzuzufügen.
Eigene Worte wollen mir nicht gelingen und ich habe nach etwas gesucht das ich kenne und passend finde.
Ich bin auf kurze Worte von Rilke gestoßen, die man im „Rilke Projekt“ auch vertont hören kann.
Abschied (von Rainer Maria Rilke)
„Irgendwo blüht die Blume des Abschieds
und streut immerfort Blütenstaub, den wir atmen, herüber;
auch noch im kommendsten Wind
atmen wir Abschied.“
(zu hören auf Spotify)
Ja, wir atmen Abschied.
Aber mit jedem Atemzug atmen wir auch Kraft, Energie, Leben, Licht.
Jeder Atemzug ist Abschied und auch Begegnung,
mit immer Neuem, mit immer Gleichem,
mit anderen, mit uns selbst.
Jede dieser Begegnungen birgt die Chance, dass unser Leben mehr ist als Schall und Rauch und sei es nur durch unser bloßes Sein.
Bis zu letzt.
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Lieber Joachim, vielen Dank für deinen wunderbaren Kommentar und für Rilke. Obschon, ich bezweifle, dass dessen Worte mehr Gehalt haben als deine, und wenn du schreibst, dass sie dir nicht gelingen wollen, die eigenen Worte, so widerspreche ich heftig. Ja, Rilke hat Recht, wir atmen Abschied, und mit der Geburt beginnt das Sterben, aber da ist doch mehr, das sich atmen lässt. Das Leben, als Verb, zum Beispiel, und ja, Begegnungen, welcher Art auch immer.
Es ist schön zu wissen, dass die Buchstaben, die ich aneinanderreihe, bei dir etwas auszulösen vermögen. Im Gegenzug lösen deine Worte bei mir etwas aus. Freude, Bereicherung, auch ein wenig Verlegenheit. Danke.
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die vergangenheit schwingt als cantus firmus IMMER mit, egal, was im hier und jetzt sich ereignet, und im zustand der überlegten (rauchenden) stille kommen auch noch einige fürs timbre entscheidende obertöne dazu.
übrigens:
nicht nur namen sind schall und rauch,
unser gesamtes leben ist es auch.
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…und das ergibt dann das Rauschen und Dröhnen, das ewige, in der Stille?
Hoffen wir nicht stets, zumindest ein wenig, dass dieses unser Leben eben manchmal doch mehr ist als nur Schall und Rauch, als Schwingungen und Schwaden?
Danke für deine Gedanken, lieber Finbar. Sehr schön (wie immer).
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