Es war ein seltsam unauffälliges Haus. An mehreren Stellen blätterte Putz von den Mauern, aber nicht zu sehr, es war keine Ruine, auch nicht baufällig, lediglich ein altes Haus, grau und öde. Eigentlich hätte es nichts darüber zu berichten gegeben, dennoch war es berühmt, zumindest in der kleinen Welt meiner Kindheit, denn es hiess, darin spuke es, und wenn es nicht spukte, so ging es wenigstens nicht mit rechten Dingen zu in diesem Haus.
Bewohnt wurde es von einer alten Frau. Man bekam sie nie zu Gesicht, doch man wusste, sie sah fürchterlich und furchterregend aus, stets schwarz gekleidet und mit kargem Zahnbestand. Einige gut Informierte behaupteten, sie halte einen kleinen Jungen im Haus gefangen, den sie einst in ihren kaum als solchen erkennbaren Garten gelockt und entführt hatte. Andere wiederum waren überzeugt, dass sie sich ausschliesslich von Katzen und Hamstern ernähre. Was auch immer erzählt wurde, man konnte sich stets darauf einigen, inständig und mit bedeutungsvollem Ernst davor zu warnen, in die Nähe des Hauses zu gehen. Man kehre womöglich nie mehr zurück.
Heute ist das Haus längst abgerissen, es musste einem Parkplatz weichen. Nun stehen dort Autos, in verschiedenen Farben, dennoch grau und öde, in Reih und Glied, und alles geht mit rechten Dingen zu. Nur in meinem Kopf spukt der Gedanke, dass es manchmal sonderbar traurig ist, wenn niemand mehr Katzen und Hamster kocht.
