Männer können ihre Gefühle nicht zeigen. Wer diesen Satz einer Suchmaschine ins virtuelle Ohr flüstert, erhält als Antwort über 2,7 Millionen Einträge. Einige Klicks später landet man im undurchdringlichen Dschungel der Diskussionsforen und stolpert immer wieder über die von Männerfingern getippte Feststellung, dass Frauen gar nicht wollen, dass Mann bei seinen Emotionen auf Freilaufhaltung setzt. Stattdessen würden echte Kerle bevorzugt, harte Felsbrocken in der Brandung des Lebens. Männer hätten zwar durchaus Gefühle und könnten sie auch zeigen. Doch sie dürfen nicht. Ansonsten droht ihnen die Boykottierung durch die Damenwelt.
Oftmals wird diese Meinung auch aus weiblicher Sicht bestätigt. Ein harter Mann, cool und durch nichts aus der Ruhe zu bringen, wirke ungleich anziehender auf eine Frau als ein lediglich aus anatomischer Sicht männliches Wesen, das sich schon beim Vorspann von Bambi dem Drängen seiner Tränendrüsen geschlagen gibt. Einen herzensguten Mann mit einer Schwäche für Bilder von Tierbabys an ihrer Seite zu haben sei in gewissen Momenten zwar durchaus schön, aber auf Dauer langweilig. Allerdings müssten Frauen auch in Beziehungen mit testosterongetränkten Partnern mit einem bösen Erwachen rechnen, wenn der Machismo allmählich sexistische, aggressive oder vergleichbar idiotische Ausmasse annimmt und in der Gefühlskälte der Erfrierungstod droht.
Wenn nun der Eindruck entsteht, Frauen wüssten nicht genau, welchen Typ Mann sie wollen, wird dieser in besagten Diskussionsforen gerne durch eine einfache Schlussfolgerung entkräftet. Die besten Männer sind offenbar Kokosnüsse, besser noch Litschis oder Wassermelonen. Irgendwie süss, ein bisschen behaart, mit harter Schale und weichem Kern. Abgeklärt und cool gegen aussen, ein Vin Diesel für unterwegs, zu Hause jedoch gefühlvoll und sensibel, solange bei Bambi die Augen trocken bleiben.
Männer dürfen ihre Gefühle also zeigen, müssen jedoch auf die Dosierung achten. Nicht zu viel, nicht zu wenig. Und hier entsteht schon die nächste Schwierigkeit, denn Männer tun in der Regel das, was sie können und wirklich gut beherrschen. Wenn sie nicht sicher sind, ob sie etwas richtig machen, lassen sie es häufig lieber bleiben. Also polieren sie die Oberfläche der Wassermelonen und lassen das Fruchtfleisch im Innern verkümmern. Und die Frauen entdecken schliesslich, was unter der Schale steckt, und schreiben in Diskussionsforen, dass es im Laden mal wieder nur ungeniessbare Melonen gab.
Dieser Text erschien als Kolumne im L-Magazin, Ausgabe 3.
> L-Magazin im Internet mit aktueller Ausgabe
