Hohlraum.

Die Wachtel war schon längere Zeit krank gewesen. Als sie eines Tages ihre Augen nicht mehr aufschlug, war ihr wohl ein beträchtliches Gewicht von den Schultern genommen worden. Man dachte das Wort Erlösung, doch man sagte es nicht, denn die restlichen Wachteln hätten es nicht verstehen, geschweige denn einordnen können. Man wollte von den übrigen Bewohnerinnen im Wachtelstall wissen, wie sie mit dem Fehlen ihrer Gefährtin umgingen. Ob sie die verstorbene Wachtel vermissten. Ob sie trauerten. Ob da ein Hohlraum in ihren kleinen Herzen entstanden war. Doch mit Wachteln ist das so eine Sache. Man kann sie alles fragen. Man kann ihnen alles erzählen. Doch sie selbst bleiben stumm. Sie reden nicht gern, vor allem nicht über ihre Gefühle. Ob und wie sehr sie trauern, kann man lediglich vermuten.

Einige Zeit später kam der Tod erneut zu Besuch. Nicht im Wachtelstall, sondern im menschlichen Umfeld, gleich mehrfach. Die Welt wurde von einer seltsamen Erschütterung ergriffen, kippte vorübergehend ein wenig zur Seite, als hätte sich etwas verschoben. Man wankte und versuchte, sich irgendwo festzuhalten, griff aber allzu oft ins Leere. Man versuchte, die Gedanken und Gefühle in Worte zu kleiden, ihnen eine Form zu verleihen, die einen Sinn ergab, doch mehr als ein paar banale Sätze wollten nicht gelingen. Schließlich setzte man sich vor den Wachtelstall, blickte hinein zu den kleinen gefiederten Tieren, die wie üblich ungerührt und stumm zurückschauten. Und für einmal konnte man verstehen, was sie meinten, während sie gar nichts sagten.