Sie liebt es, wenn er seine Hände über ihren Hals gleiten lässt, dann über ihre Brüste, wobei seine Daumen ihre Brustwarzen umspielen, dann über ihren Bauch zu ihren Hüften, dann zum Schoss. Er gebärdet sich dabei selten zu sanft und niemals zu grob, er vermag sie auch nach all den Jahren noch in einer Weise zu berühren, die sie erschaudern lässt. Während sie rittlings auf ihm sitzt und sie sich im gleichen Rhythmus bewegen, sieht sie ihn an und ist irritiert. Zwar lächelt er häufig, wenn sie miteinander schlafen, doch dieses Mal wirkt das Lächeln nicht zärtlich und leidenschaftlich. Vielmehr glaubt sie, in seinem Gesicht eine gewisse Süffisanz zu lesen, eine Distanziertheit, vielleicht sogar Arroganz. Sie ist verunsichert, doch bald darauf durchströmt ein weiterer Schauder ihren Körper, und sie nimmt sich vor, ihn später darauf anzusprechen, vielleicht beim Frühstück.
Er liebt es, wenn sie auf ihm sitzt und er sie ansehen kann, wie sie sich bewegt und ihre Hände auf seinen Brustkorb presst, im nächsten Moment sich selbst berührt und seinen Händen folgt, die über ihre Brüste wandern. Bisweilen wirft sie ihren Kopf in den Nacken, dann wieder greift sie hinter sich und streichelt seinen Hodensack. Sie wirkt häufig entrückt, doch dieses Mal ist sie seltsam präsent, in ihrem sonst so entspannten Gesicht zeigt sich ein fragender Ausdruck, beinahe zweifelnd. Er ist irritiert, beginnt zu überlegen, was die Miene zu bedeuten haben könnte, ob sie zweifelt, an ihm, an ihnen. Er ist verunsichert, doch bald darauf durchströmt ein weiterer Schauder seinen Körper, und er nimmt sich vor, sie später darauf anzusprechen, vielleicht beim Frühstück.
Beim Frühstück sitzen sie in der Küche, beide nackt und noch warm von der Nacht. Er trinkt Kaffee und isst Joghurt, sie raucht und trinkt Wasser, und irgendwann blicken sie sich an, seltsam reglos. Ist alles in Ordnung?, will er wissen, und in seinem Gesicht zeigt sich eine ungewohnte Verunsicherung, die ihn kleiner wirken lässt als üblich. Ja, alles bestens, gibt sie zurück und lächelt, doch ihr Lächeln bleibt vage, zwar bezaubernd, aber ganz anders als sonst.
Schließlich steht sie auf, stellt sich ans Fenster und blickt hinaus. Er stellt sich hinter sie, legt seine Arme um sie und küsst ihren Kopf. Er hat das schon nach ihrer ersten gemeinsamen Nacht getan, sie erinnert sich. Auch er denkt an jenen Morgen, damals. In all den Jahren hat sich so viel verändert, aber sie sind noch immer hier, stehen am Fenster. Und einen Moment lang drücken sie sich ein wenig fester als zuvor.

❤
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Danke dir!
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Sehr schön geschrieben – einfühlsam, in die abgründlich, weibliche Tiefe gehend. Die Geschichte müsste weiter gehen.
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Vielen lieben Dank dir fürs Lesen und für deine Worte! (Und das Weiterdenken der Geschichte ist natürlich ausdrücklich erwünscht…)
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Reden hilft immer!
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Das tut es häufig, ja. Manchmal versteht man sich auch ohne…
Herzlichen Dank dir fürs Lesen!
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