Manchmal ist das Feld voller Dreck und Exkremente, da liegen Plastiktüten und Glassplitter, angefangene Briefe und zerrissene Fotos, Zigarettenstummel und leere Bierflaschen, da liegen entbehrliche Fragmente von Lebensgeschichten. Es mieft und müffelt, alles verfault und vermodert, und irgendwann beginnt es zu schneien.
Zuerst bildet sich eine dünne Zuckerschicht, eine Verzierung nur; der schmutzige Boden wird hübsch gemacht, mehr nicht. Doch wenn es weiterschneit, verschwinden bald die ersten Kunststofffetzen unter der weißen Decke, scharfe Kanten verlieren ihre Drohkraft. Der Schnee verhüllt den ganzen Mist. Und irgendwann ist er nicht mehr zu sehen. Man weiß weiterhin um seine Existenz. Aber er büßt an Prägnanz ein, der Gestank verdunstet in der kalten Luft. Schließlich weichen auch die letzten verräterischen Konturen der Schneeschicht, die inzwischen so dick ist, dass sie das Gewicht eines Menschen trägt, sogar das Gewicht von Begebenheiten und Erinnerungen. Vielleicht baut man einen Schneemann, vielleicht eine Schneehütte, und am Abend, wenn das Licht schwindet, wird alles ruhig, die Landschaft dehnt sich friedlich und still in der Zeit aus.
Tagelang, gar wochenlang liegt der Schnee auf dem Feld, vereinzelte Verwehungen lassen skurrile Linien entstehen. Trotzdem wirkt das Bild sanft und weich, unter einem weißen Laken ruht die Welt. Doch irgendwann steigen die Temperaturen, heftiger Regen setzt ein und treibt Löcher in die Schneedecke. Und spätestens, wenn sich die ersten braunen Stellen bilden, kehrt das erdige Feld wieder in die Mitte des Bewusstseins zurück. Und damit auch der Dreck, der es bedeckt. Als es wieder zu stinken beginnt, stärker als je zuvor, hadert man damit, dass man es verdrängt hatte, es vom Schnee verhüllen ließ. Man weiß, dass die Gifte weiter in die Tiefe gedrungen sind. Und man fragt sich, warum der Ausdruck Tauwetter im übertragenen Sinn zumeist positiv konnotiert ist.

Das Duftbäumchen ist eine wundervolle Idee *lächel*
und doch würde es in unseren Gedanken nicht wirklich bedecken, was sich verbirgt.
Der Geruch würde übertüncht, aber er wäre immer noch da.
Abfall, Unrat, unnötiger Ballast, den wir abwerfen müssen, sollte ganz und gar verarbeitet sein, damit er keine Ekelgerüche in unsere Seele trägt…
LikeGefällt 1 Person
Vielen herzlichen Dank für dein Lesen und für deine Worte, liebe Bruni… Ja, Duftbäumchen nützen wohl nur wenig. Manchmal wäre es schön, wenn Seelenmüll kompostierbar wäre. Aber wahrscheinlich darf er das nicht sein, man muss ihn selbst entsorgen…
LikeLike
Ein sehr schöner, tiefgründiger Text. Damke dafür. Häufig ist es so. Wir können unseren Unrat eine Zeit lang vergessen, aber irgendwann taut es und alles kommt wieder zum Vorschein. Probleme und Sorgen lassen sich nicht auf Dauer verdrängen. Erst, wenn das Feld gesäubert wurde, kann es auch bewundert und genossen werden.
LikeGefällt 1 Person
Ja, absolut… Aber es ist eben auch Arbeit, mitunter harte und langwierige, dieses Säubern… Und manchmal scheut man diese Arbeit, bis es vielleicht irgendwann zu spät ist…
Vielen lieben Dank dir fürs Lesen und für deine Worte…
LikeGefällt 1 Person
Die Blumen hier. Sie riechen gut. Frisch geschnitten und mit frischem Wasser getränkt.
LikeGefällt 1 Person
Ich weiss, wie gut die Blumen hier und da duften. Hier und da liegt auch kein Mist unter dem Schnee. Danke!
LikeLike
Oh doch. Geh mal in den Garten… Aber nicht im übertragenen Sinn, dort modert es nicht, nein.
LikeLike
Im Garten ist’s nicht so schlimm, und sonst pflanzen wir ein Duftbäumchen.
LikeGefällt 2 Personen