Es war 1984, im Fernsehen lief eine Zusammenfassung der Eröffnungszeremonie der Olympischen Sommerspiele in Los Angeles. Irgendwann schwebte ein Mann ins Stadion. Die Stimme im Fernseher nannte das Ding auf seinem Rücken wahrscheinlich Jetpack. Für mich war es ein Raketenrucksack. Dieser Raketenrucksack war die Zukunft. Meine Zukunft. Ich war überzeugt, dass sich bald alle Menschen solche Apparate auf ihre Rücken schnallen und die Zwischenräume überwinden werden. Ich malte mir aus, wie ich damit zu meinen Schulfreunden fliegen und meine Großmutter besuchen würde. Niemand musste mehr auf einen Bus warten, niemand mehr ein Taxi rufen. Wir alle würden frei sein, uns jederzeit an den gewünschten Ort zu bewegen, und alles, worauf wir achten müssten, wären all die anderen Menschen mit ihren Raketenrucksäcken. Die Zukunft, sie war ein Versprechen, und das Versprechen wurde von einem kleinen, auf dem Rückstoßprinzip basierenden Rucksack angetrieben.
Die Zukunft hat ihr Versprechen gebrochen. Der Raketenrucksack liegt in der Ecke, neben verstummten Liedern und zerborstenen Geschichten, neben vergilbten Fotos von diffusen Gesichtern, neben Todesanzeigen mit verblassenden Buchstaben. Wir nehmen noch immer den Bus. Oder ein Taxi. Die Großmutter lebt nicht mehr, und die Namen der Schulfreunde rieseln scheinbar unaufhaltsam aus dem Kopf. Der Rückstoß treibt uns nicht an. Der Rückstoß hat uns erwischt. Immer wieder.
Ich blicke in die Ecke, hin zum Raketenrucksack, zu diesem zersplitterten Versprechen. Es ist ein trauriges Bild. Doch es wäre vielleicht noch trauriger, wenn der Raketenrucksack nicht dort liegen würde. Hätte es ihn nie gegeben, würde er fehlen. Und wäre er in Gebrauch, wäre ich wohl nicht dort, wo ich bin. Wohin ich 1984 fliegen wollte, weiß ich nicht mehr genau. Es ist auch egal. Manchmal geht man besser zu Fuß.

Ein „wunderbar!“ von mir, vor allem für „Der Rückstoß hat uns erwischt. Immer wieder.“
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Ein herzlichen „Dankeschön!“ zurück…
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Top! Danke.
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Danke. Schön!
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