Martin war ein Prediger, und eines Tages stand er vor einer Viertelmillion Menschen und sagte, er habe einen Traum, und die Menschen hörten zu, und die Menschen träumten mit, und Martin erzählte weiter, erzählte von seinem Traum, und die Menschen nannten ihn einen Helden, und fünf Jahre später war er tot, und er träumte nicht mehr, und manche träumten weiter, und viele wachten auf, und dann war da Frank, und Frank war ein Soldat, und im Krieg, da rettete er ein paar Kameraden aus misslicher Lage, rettete ihnen das Leben, und die Menschen nannten ihn einen Helden, und als er wieder heimkehrte, erhielt er eine Medaille, und in seiner Heimatstadt wollte man eine Straße nach ihm benennen, und Frank war stolz, und der Stolz hielt ihn eine Weile am Leben, doch dann fehlte allmählich das Geld, und es fehlte eine Aufgabe, es fehlte vielleicht sogar der Krieg, der nur noch in seinem Innern tobte, und Frank trank immer mehr, und er wusch sich immer seltener, und er wurde immer härter, und eines Abends war er in einer Bar, und er trank wieder einmal, und eine Frau, die er gerne mit seinen Heldentaten beeindruckt hätte, ließ sich nicht auf seine Avancen ein, und Frank verstand das nicht, und er nahm sich, wonach er sich sehnte, und er nahm es sich mit Gewalt, und dann verhafteten sie ihn, und im Gefängnis war er nur noch ein Sexualstraftäter, und vom Helden war nichts mehr da, und dann war da Khalid, und Khalid war ein gläubiger Mensch, er glaubte an seinen Gott, und er glaubte den Menschen, die ihm erzählten, was er im Namen dieses Gottes tun sollte, und als er einwilligte und sich bereit erklärte, sein Leben für die Sache zu opfern, nannten sie ihn einen Helden, und dann ging er los, und er stand kurz davor, den letzten Schritt zu tun, doch dann besann er sich, und er ging unverrichteter Dinge nach Hause, und später erzählte er anderen Menschen davon, und nun nannten ihn diese Menschen einen Helden, und sie klopften Khalid auf die Schulter, und ein paar Tage später sprach er im Fernsehen darüber, und bald darauf war er nicht mehr auffindbar, doch man suchte nicht lange nach ihm, und irgendwann fischte man ihn aus einem Fluss, und niemand nannte ihn einen Helden, und ein Begräbnis gab es nicht, und dann war da Maria, und Maria war einfach gerade da, als die alte Frau stürzte, genau auf die Gleise, und dann kam der Zug, und Maria zog an der alten Frau, bis sie weg war von den Gleisen, und die alte Frau bedankte sich kaum, doch all die anderen Menschen, die gesehen hatten, was Maria getan hatte, nannten sie eine Heldin, und die Kurzmeldung in der Zeitung erzählte ebenfalls von einer Heldin, und Maria freute sich, als ihre Nachbarinnen sie darauf ansprachen, und dann ging sie in ihre Wohnung, und dann schrie das Kind, und sie mochte das nicht hören, doch das Kind schrie weiter, und zuerst schrie Maria zurück, doch das Kind wurde nur noch lauter, und irgendwann schlug Maria zu, einfach so, und das Kind schrie, und Maria schlug, und irgendwann hörte das Kind auf zu schreien, wimmerte nur noch, und Maria setzte sich in das dunkle Wohnzimmer, und sie trank ein Bier, und sie weinte, und dann stieß sie die Bierflasche um, und das Bier floss über den Zeitungsausschnitt auf dem Tisch, und da war ein Bild von ihr drauf, und darüber nannte man sie eine Heldin, und jetzt war alles nass und voller Bier, und sie warf den Zeitungsausschnitt weg.

Dieser Staccato-Stil hat was, muss ich sagen. Müsste ich das dauernd lesen, würd ich wahrscheinlich kirre werden, aber bei diesem Text passt es.
Mir gefällt es, wie du den Helden ins richtige Licht rückst. Kein Mensch ist so etwas wie ein Held, keiner ist nur ein toller Hecht, der die Welt zu einem besseren Fleck macht, sondern hat auch immer seine ganz eigenen Probleme, die wir gerne zu Gunsten der Illusion ausblenden.
Natürlich könnte man da jetzt auch so einen optimistischen Schwachsinn rausinterpretieren, dass dann ja auch jeder Mensch, egal welche Probleme er hat, dazu in der Lage ist, eine Heldentat zu verüben. Aber wer ist heutzutage schon optimistisch?
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Vielen Dank fürs Lesen und für deine Worte… Ja, die Illusionen, nicht nur bei vermeintlichen Helden, wir hängen an ihnen, vielleicht ja auch aus gutem Grund, womöglich wäre manches weniger erträglich ohne sie…
Und den optimistischen Schwachsinn könnte man vielleicht wirklich rausinterpretieren, manche Optimisten interpretieren aus jedem Schwachsinn noch was Gutes, aber mir ist realistisch lieber, halt im richtigen Licht, in welchem niemand wirklich ein Held ist…
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Irgendwie schlimm, dass mir das gefällt ;-/ Ich mag den Stil, und ich stehe auf UNDs, der Inhalt ist traurig. Heldenversuchsgrüße, Julia
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Und ich find’s schön, dass es dir gefällt. Und vielen Dank. Und liebe Grüsse zurück.
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