Erst du machst mich komplett. Ohne dich bin ich nicht ganz. Bin nur ein halber Mann.
Das klingt doch wahnsinnig romantisch. Es klingt vor allem wahnsinnig. Und ziemlich unsinnig. Halbe Männer – und auch halbe Frauen – sehen sich nicht nur beim Fahrradfahren mit ungemütlichen Einschränkungen konfrontiert. Frustrationen beim Kleiderkauf sind vorprogrammiert, von sexuellen Aktivitäten ganz zu schweigen. Zwar kann ein Dasein als Halbwesen durchaus auch Vorzüge mit sich bringen, bestimmt kommt man in den Genuss von Steuererleichterungen und Vergünstigungen im öffentlichen Verkehr. Trotzdem überwiegen die Nachteile deutlich.
Ich bin verheiratet, doch eine bessere Hälfte habe ich nicht. Bevor eine Schieflage des Haussegens vermutet wird, versichere ich gern, dass ich auch keine schlechtere Hälfte habe. Ich möchte ganz grundsätzlich nicht mit einer Hälfte verheiratet sein. Und ich finde halbe Frauen nicht sexy, auch nicht auf eine extravagant verruchte Weise.
Trotzdem sehen unzählige Popmusikpoeten und Tagebuchhalter in dieser Halbierung offenbar eine besondere Qualität einer Beziehung. Man ergänze sich, man vervollständige sich, und eins plus eins ergebe eins. Das lässt einerseits vermuten, dass sich amouröse Verwicklungen nachteilig auf die mathematischen Fähigkeiten auswirken. Und andererseits wirft es die Frage auf, ob es wirklich erstrebenswert ist, eine Beziehung zu führen. Denn Singles betrachten sich in aller Regel als ganze Personen, als eine komplette Einheit der Gattung Mensch. In der Beziehung soll dann plötzlich eine Reduktion der eigenen Persönlichkeit um bis zu 50 Prozent erfolgen, die von einem anderen 50-Prozent-Menschen verursacht und gleichzeitig behoben wird. Gute Argumente, den Bund fürs Leben oder zumindest den Lebensabschnitt zu schliessen, sehen definitiv anders aus.
Die Realität zum Glück auch. Denn als Mann nimmt man seine ganze metaphysische Einrichtung in eine Beziehung mit, all die guten Eigenschaften, welche die potenzielle Schwiegermutter zu einem gütigen Lächeln bewegen, und all die furchtbaren Angewohnheiten, welche die potenzielle Ehefrau bis kurz vor den Wahnsinn treiben. Letztere trägt ebenfalls alle Ausprägungen ihres Charakters in das gemeinsame Leben. Die Folgen sind nicht selten chaotisch, manchmal überfordernd, vor allem aber bereichernd und in den meisten Fällen mehr als die Summer der einzelnen Teile. Eins plus eins ergibt nämlich nicht zwei, sondern durchschnittlich etwa zwei Komma vier. Womit bewiesen wäre, dass sich amouröse Verwicklungen tatsächlich nachteilig auf die mathematischen Fähigkeiten auswirken.

Dieser Text erschien als Kolumne im L-Magazin, Ausgabe 6.