Männer haben’s nicht leicht. Zugegeben, ein Text, der mit diesen Worten beginnt, droht sich im weiteren Verlauf in selbstmitleidig intonierten Maskulinismus zu wandeln, mit einer Schlussfolgerung, die dem vermeintlich starken Geschlecht die Gestalt eines leidenden Opferlammes verleiht. Nun denn. Mäh.
«Männer haben’s schwer, nehmen’s leicht, aussen hart und innen ganz weich», nuschelte schon Herbert Grönemeyer, war mit seiner Weisheit jedoch schnell am Ende und fragte sich und seine Hörerschaft anschliessend: «Wann ist ein Mann ein Mann?» Die Antwort blieb nicht nur er uns schuldig. Zwischen Macho und metrosexuell, zwischen Brustflokati und Intimrasur, zwischen Marlon Brando und David Beckham, zwischen Jägerlatein und Kochkursen suchen wir unsere Identität, unser Selbstverständnis als Männerwesen. Wir haben die Orientierung verloren, und es ist gemeinhin bekannt, wie wir mit diesem Verlust in der Regel umgehen. Unsere Navigationsgeräte etwa, sie dienen nicht wirklich dem Finden des Wegs und des Ziels, sondern vor allem als Sündenbock, wenn wir uns verfahren haben. Und während bei Frauen der Schatten, über den es zu springen gilt, wenn man Passanten um Hilfe bittet, nicht so gross zu sein scheint, kommt es bei Männern einer kleinen Kastration gleich, sich nach dem Weg zu erkundigen.
Natürlich sind nicht alle Männer auf der Suche und dabei hilflos verloren. Manche geben sich schon damit zufrieden, Menschen zu sein, und kümmern sich nicht um geschlechterspezifische Schubladen. Andere jedoch forschen und erörtern, reflektieren und hinterfragen – ohne zählbare Resultate. Früher liess sich die Geschlechterfrage einfacher beantworten. Die Rollen von Mann und Frau waren klar verteilt, ihre Aufgaben, Rechte und Pflichten, Möglichkeiten und Grenzen eindeutig definiert. Doch während Frauen immer mehr zu jenen Rechten gelangen, die sie schon immer verdient gehabt hätten, müssen Männer ihrerseits stetig Privilegien abtreten, die ihnen nie gebührten. Zwar haben wir uns längst mit der späten Erkenntnis angefreundet, dass es eigentlich ganz angenehm ist, wenn Frauen mehr können und dürfen als nur kochen, putzen und Kinder aufziehen. Doch gleichzeitig tun wir uns noch immer relativ schwer damit, dass diese Entwicklung eben auch auf unserer Seite des Geschlechtergrabens spürbar ist.
Und nun? Trösten wir uns mit der Überzeugung, dass wir es nicht leicht haben. Suchen noch ein wenig, wonach auch immer. Und wenn unsere Navigationsgeräte uns noch weiter in die Irre führen, sind wir froh, dass sie es mit einer weiblichen Stimme tun.
Dieser Text erschien als Kolumne im L-Magazin, Ausgabe 2.
> L-Magazin im Internet mit aktueller Ausgabe
